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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Adrian.
    Viktor ging nicht auf den Vorschlag ein, den er für unakzeptabel trivial hielt. Er hatte andere Probleme, realistischere, wie er fand: Da keine eigenen Einnahmen in Sicht waren, lähmte ihn der Gedanke, zu einer Frau, falls ihm noch jemals eine gefallen würde, nicht so spendabel sein zu können, wie er es gewohnt war. Aufs Gemüt und auf die Potenz schlage ihm das, sagte er. Ein Teufelskreis: keine Liebe, keine Bücher, kein Geld – kein Geld, keine Liebe und so weiter. Viktor bestand auf dem moralischen Gesetz in ihm. Beim Geld endeten seine liberalen Vorstellungen von der Ehe. In der Vergangenheit waren Anschaffungen von 20-CD-Kollektionen keine Seltenheit gewesen, nur um an ein Stück zu gelangen, das vielleicht einer Frau gefallen könnte. Man durfte sich nicht mit der Frage aufhalten, ob das zum gewünschten Erfolg führen würde. Als er sich um die Prinzessin Aza bemüht und diese anfangs ein Ohr für Musik und Tanzbereitschaft signalisiert hatte, war er bald auf die unsägliche Idee verfallen, nach Musikstücken Ausschau zu halten, die die schöne Buchstabengruppierung »Aza« im Titel hatten, und in den Katakomben des Internet war er bald fündig geworden:
Aza Ela Dia, Aza Malahelo, Aza Mamaraha, Aza Manadino Anay, Aza Mandino, Aza Mba Manary Toky, Aza Mifankadala –
eine Fülle des Wohllauts, an der Thomas Mann seine Freude gehabt hätte. Musik aus Marokko und Madagaskar, aus Algerien und Afghanistan. Ausgerechnet Pakistan war für pakistanische Prinzessin nicht dabei. Viktor bestellte die CDs, es dauerte Wochen, kostete Hunderte, die Hälfte der Ausbeute war verwässerter Ethnokitsch. Gute Stücke gab es auch einige, die stellte er für Aza zusammen, sie sagte »Vielen Dank auch« und kommentierte die Gabe nicht weiter. Dennoch würde er, sagte Viktor, wenn seine Empfindungen nicht so grausam abgestorben wären und er in München lebte und also in den nächsten Wochen damit verbringen würde, das Herz der fadendünnen Lisa zu gewinnen, ihr sehr bald eine Musikzusammenstellung machen, mit Stücken, die ihrem leichten Gang entsprächen.
    Um ein Uhr schloß das Lokal, die fadendünne Lisa war schon längst verschwunden. Adrian wohnte am anderen Ende der Stadt und bat, da Viktor mit dem Auto gekommen war, nach Hause gefahren zu werden, Viktor sagte er, denke nicht daran, es gäbe auch öffentliche Verkehrsmittel, er werde in der Nacht noch nach Zürich zurückfahren, um Ellens Einkünfte nicht auch noch mit einer Hotelübernachtung zu schmälern. Er begleitete den murrenden Adrian, der wie ein trauriger Bär mit seinem Geigenkoffer neben Viktor hertrottete, zur Straßenbahnhaltestelle. Der Liebeskummer drückte ihn sichtlich. Ein alter drahtiger Mann kam des Wegs, türkischer Arbeiter vermutlich. Er hatte einen Zettel mit einer Adresse in der Hand, suchte und kam nicht zurecht. Er winkte Adrian zu und rief: »Hey, Arschloch-Kollege! Wo ist Renatastraße?«
    Sie blieben stehen. »Tut mir leid, keine Ahnung«, sagte Adrian, und Viktor zuckte simultan mit den Schultern und unterdrückte den unkorrekten Kommentar: Ich nix von hier.
    Der alte Türke klopfte Adrian freundlich auf die Schulter: »Macht nix, Arschloch-Kollege.« Dann ging er suchend weiter, und Viktor und Adrian wußten, daß dieser Mann ihnen soeben ein wunderbares Wort geschenkt hatte.
    »Es ist kalt, Arschloch-Kollege«, sagte Adrian, »wenn die Bahn nicht bald kommt, werde ich krank und du bist schuld.«
    Dann kam die Straßenbahn, sie leuchtet hell und gastlich wie ein Lampion in der dunkeln Nacht. Adrian wollte in den hinteren völlig menschenleeren Wagen steigen. Viktor hielt ihn zurück und sagte: »Wo hast du deine Augen, Arschloch-Kollege!« Er deutete auf den ersten Wagen, in dem als einziger Mensch eine junge Frau saß. Man sah sie nur von hinten, und man sah nicht viel von ihr. Sie trug einen Mantel, den Kragen hochgeschlagen und auf dem Kopf eine Mütze. Viktor fragte sich, woran man überhaupt erkennen konnte, daß es eine junge Frau war, kein Schulmädchen und keine Alte. Welche geheimen Signale gingen von diesem Rücken aus? Ich bin stolz, ich bin schön, ich habe keine Angst, ich bin Mitte zwanzig, sagte der Rücken. Sie schien ein Buch zu lesen. Keine Analphabetin, was wollte man mehr. Wäre Viktor nicht liebestot, wie er den ganzen Abend behauptet hatte, er hätte sich in diesen Mantelkragen verliebt. Was sie wohl für Schulterblätter haben mochte?
    Viktor drängte den tapsenden Adrian zu der hinteren offenen Tür des

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