Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
schlimm, er hingegen sei liebestot – aus, Ende, er spüre keine Liebe mehr, kein Flattern, kein Herzklopfen, nichts, keinen Sex, kein Eros, wie kastriert komme er sich vor, bei ihm sei ein ganzes Liebes-und-Lebens-Schreibsystem kaputtgegangen, ein raffiniertes Gespinst aus Träumen und Hoffnungen und Visionen, das er kunstvoll mit einigen Zipfeln der Wirklichkeit verknüpft habe, sei durchgerissen, ratsch, weil dieser Fräulein-Strindberg-Knoten nicht gehalten habe, und da von seinem Gemütszustand auch seine Arbeit und sein Einkommen und sein Auskommen abhänge, sei er nicht nur liebestot, sondern auch als Autor am Ende, aus, pleite, restlos ruiniert, er träume nicht mehr, er sehne sich nach nichts mehr – und also könne er keine Zeile mehr schreiben.
    Adrian sagte, für einen Toten schaue er ziemlich lebendig der Bedienung hinterher. Viktor sagte, nur weil sie so fadendünn sei und ihn an Selma erinnere und ihm die Aussichtslosigkeit seiner Lage bewußt mache. Vor einigen Wochen hätte er sofort den Tisch gewechselt, um von ihr bedient zu werden, das heißt, natürlich nicht um bedient zu werden von ihr, sondern um anknüpfen zu können, um das Netzwerk der Liebe zu festigen.
    »Was hättest du gemacht?« fragte Adrian.
    »Ich hätte ihr eine Botschaft hinterlassen«, sagte Viktor, »einen unübersehbaren Zettel: ‘Liebe Lisa, dies ist ein Abschiedsbrief. Ich werde in den nächsten Wochen und Monate viel auf Achse sein – und zwar: In diesem Café hier. Ich habe Abschied genommen von meinem ruhigen Leben. Meine Zeilen hier sind, wenn man so will auch eine Warnung: Denn ich werde herauszubekommen versuchen, an welchen Tagen Sie hier arbeiten. Die erste Etappe meines neuen Lebensziels ist es, ein Lächeln von Ihnen zu erhalten. Ich gehe ungern Frauen auf den Keks. Wenn Sie mich und meine Art nicht ertragen können, sagen sie es bitte nicht erst nach einem halben Jahr. Obwohl ich vorläufig nichts anderes will, als Ihnen beim Zahlen ihre hübschen Hände zu küssen, werde ich mich unaufgefordert zu dieser Ungeheuerlichkeit nicht hinreißen lassen. Bis bald, ein von Ihnen begeisterter Gast.’«
    Adrian schüttelte den Kopf: »Das wäre nicht mein Stil. Wie kommst du auf den Namen Lisa?«
    »Sie heißt so. Sie wird hier so gerufen. Das fällt einem doch sofort auf. Ist doch ein wunderschöner Name: Lisa!«

    Viktor und Adrian saßen lange in dem Lokal zusammen. Adrian klagte über sein dürftiges Einkommen und die mageren Honorare für Musiker. Viktor, dem es bisher finanziell immer gutgegangen war und der früher bei diesem Thema scheu geschwiegen hatte, kannte nun auch die materielle Not, die bei ihm allerdings mehr eine psychologische war. Er hatte all die Jahre sehr gut von der Hand in den Mund von seinem eigenen Geld gelebt. Jedes Jahr ein Buch, das genug einbrachte, um neben den üblichen Ausgaben die weitgehend sinnlose Wohnung in Frankfurt zu finanzieren, den Frauen Fahrscheine zuzuschicken, die vielleicht nie benutzt wurden, und Hotelzimmer zu nehmen, deren Enge und Spießigkeit einem nicht aufs Gemüt schlugen. Bildbände durften sündhaft teuer sein, wenn nur eine Abbildung darin geeignet war, irgendwelche erotischen Chancen zu verbessern – kaum eine Frau, für die sich Viktor interessierte, die nicht irgendwann ein gigantisches Kunstbuch überreicht bekam, weil darin ein Porträt reproduziert war, in dem Viktor eine Ähnlichkeit zu der Beschenkten entdeckt hatte. Vorbei das schöne Luxusleben. Der nächste Roman würde nicht erscheinen, weil er ihn nicht schreiben konnte, mit einem Vorschuß war nicht zu rechnen – und mit dem von Ellen verdienten Geld konnte er schlecht zu Frauen großzügig sein, mit denen er gegen Ellens Interesse etwas anfangen wollte.
    »Ein wahrer Künstler könnte das«, sagte Adrian: »Ein wahrer Künstler ist eine Sau.« Er riet Viktor, einen Roman über eine solche Künstlersau zu schreiben: Ein skrupelloser Typ, der seine Frau ausnimmt, um seine Liebschaften zu finanzieren. Im Glauben an seine Kunst zahlt die Gattin bis zum bitteren Ende – und dann stellt sich heraus: Er ist auch in der Kunst ein Tunichtgut. Da ersticht sie ihn mit dem 500-Dollar-Füllfederhalter, den sie ihm zur hoffnungsvollen Hochzeit geschenkt hatte. »Da hast du alles«, sagte Viktor, »Kritik an der Scharlatanerie der modernen Kunst und an den ausbeuterischen Männern.«
    »Ich hasse solche Geschichten«, sagte Viktor.
    »Du hast keinen Mut, dich in einem Roman zur Sau zu machen«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher