Der Liebessalat
hat – etwas unglaubwürdig mit Anfang dreißig – einen autobiographischen Roman über das Durcheinander seiner Liebe geschrieben. Im Zug trifft er eine erloschene Flamme, die gerade sein Buch liest. Der Titel:
Les salades de l’amour
– Die Salate der Liebe. Der Liebessalat.
»Das macht nichts«, sagte der Produzent, »im Gegenteil, das ist eine hübsche cineastische Anspielung.«
Sie verzehrten jetzt einen Fisch, und in der kurzen Zeit des Schweigens und des Sich-die-Gräten-aus-dem-Mund-Ziehens versuchte sich Viktor zu erinnern, warum er den Film
L’Amour en fuite
nicht mochte, obwohl er doch das Thema seines Lebens zum Inhalt hatte: Zum einen lag es an den Frauen. Es waren niedliche bourgeoise Miezen, die nicht einmal an die Nasenring-Tina herankamen, geschweige denn an Ella, Ira und Ellen oder die Tscherkessin. Selbst Susanne und Sabine und die ziemlich in Vergessenheit geratene Beate hatten mehr Kanten und Format – das Fräulein Strindberg sowieso. Und dann war die Liebe in diesem Film nicht glaubhaft dargestellt. Sie erschien flach und flüchtig – und man mußte den Eindruck haben, das läge an den zu vielen Frauen. Und eben dies empfand Viktor als Verrat an den Idealen der Polygamie. Truffaut und seine Schauspieler waren dem Thema nicht gewachsen. Jean-Pierre Léaud war ein Hans-guck-in-die-Luft, dem die Besessenheit fehlte. Ohne Besessenheit war die Liebe zum Einschlafen. Zuvor hatte Truffaut einen Film gedreht, der zwar einen Besessenen zeigte, aber auch keine wirkliche Raserei.
Der Mann, der die Frauen liebte
war ein platter Nummernsammler in einer zu engen Lederjacke, mit dessen billigem Donjuanismus Viktor nichts zu tun haben wollte. Natürlich war er, da er aus seinen Ansichten keinen Hehl machte, im Lauf der Zeit immer mal wieder mit solchen unerfreulichen Gestalten verglichen worden – Vergleiche, gegen die man sich zur Wehr setzen mußte. Wenn es allerdings einem großen Filmregisseur wie Truffaut nicht gelungen war, die Vielfalt der Liebe glaubwürdig darzustellen, wie schief würde es dann erst gehen können, wenn man einen beliebigen Fernsehfilmmacher an das Thema heranließe.
Als später über den Vertrag geredet wurde, legte Viktor zum Erstaunen des Produzenten Wert auf das Recht, seinen Namen als Drehbuchautor zurückziehen, wenn der fertige Film seinen Vorstellungen nicht entsprechen sollte.
»Sie sind ja ein ganz Ausgebuffter«, sagte der Produzent etwas frostig. Ein hübsches Sümmchen winkte bei Ablieferung des Drehbuchs, weitere Portionen bei der ersten Ausstrahlung und im wahrscheinlichen Fall einer Wiederholung. Der übliche Vertrag. Selbst erfahrene und erfolgreiche Drehbuchautoren bekämen nicht mehr, sagte der Produzent entschuldigend, denn so stolz die Summe auch war, er mochte jährlich das Vielfache dessen fürs Aus-dem-Fenster-Sehen bekommen. »Ich weiß«, sagte Viktor, der sich vor diesem Treffen kundig gemacht hatte – und unterschrieb, daß er bereit sei, die erste Fassung auf Bitten der Produktion zwei Mal zu überarbeiten – auch das war üblich und sinnvoll, denn damit wurde verhindert, daß sich Stümper über die Dialoge hermachten.
»Können Sie in einem halben Jahr liefern?« fragte der Produzent und glaubte nicht, als Viktor ihm sagte: »In vierzehn Tagen.«
Viktor brauchte nur zehn Tage. Dialoge schrieb er in hoher Geschwindigkeit, hatte allerdings keinen Spaß daran. Nur einmal mußte er kurz auflachen, als er die Nasenring-Tina, die er im Drehbuch Brigitte und in der Kurzform Biggi nannte, das schlüpfrige Ehepaar-Angebot Ellens mit ihren Originalworten ausschlagen ließ: »Das ist mir jetzt irgendwie zu bürgerlich.«
Eine andere Szene, die ihn erheiterte, hatte er frei erfunden: Der Ehefrau, deutlich als Ellen zu erkennen, ist ein Zettel in die Hände gefallen. Sie steht vor dem Schriftsteller-Ehemann und fuchtelt, aufs äußerste erregt, mit dem Papier herum. Der klassische Beginn eines großen Krachs: Es scheint sich um ein hochverräterisches Dokument zu handeln, und sie verlangt nun erbost Aufklärung: »Würdest du mir bitte erklären, was das soll!?« Der Ehemann starrt zerknirscht auf den Zettel, reumütig zwar, aber er macht zaghaft einen Verteidigungsversuch. Er bettelt fast um Verständnis: »Es ist schlimm. Wirklich. Sehr schlimm. Aber so schlimm doch auch wieder nicht. Gibt es nicht Schlimmeres?« Sie, voller Verachtung, jede Silbe Hohn und Hieb: »Das ist das Al-ler-letz-te!!« Der Ehemann in der Klemme macht einen
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