Der Liebessalat
Sekretärin, die einem sagen konnte, an welchem Schalter im Flughafen man das bereitgestellte Ticket abholen konnte, das peinlicherweise für die Business Class ausgestellt war. Jetzt merkte Viktor, daß dieser Mann wesentlich jünger war als er selbst, und damit verlor sein Urteil an Verläßlichkeit. Er gehörte zu der seltsamen Generation der jungen Greise, denen zwei, drei Ferienhäuser lieber sind als zwei, drei Frauen, die in einem Film aber ganz gern diese Zwei-Drei-Frauen-und-mehr-Geschichten sehen wollen, zu denen sie selbst keine Kraft oder keine Zeit haben.
Viktor fuhr fort. Es fiel ihm nicht schwer, die Geschichte seiner vergangenen zwei Jahre zu skizzieren: »Eine Liebste nach der anderen wird von der Gattin kunstgerecht enterotisiert…«
»Und dann?« Der Produzent war tatsächlich neugierig.
»Dann kann dieser Schriftsteller keine Zeile mehr schreiben«, sagte Viktor, »aus, Ende, erledigt.«
»So kann kein Film enden«, sagte der Produzent.
»Natürlich nicht«, sagte Viktor und fand nun Spaß an der Sache: »Die Frau ist jetzt gezwungen, ihrem Mann neue Liebhaberinnen zuzuführen.«
»Eine echte Komödie, eine intelligente erotische Komödie!« Der Produzent frohlockte: »Nichts ist zur Zeit mehr gefragt als intelligente erotische Komödien. Der Film muß unbedingt im Sommer kommen. Im Sommer läuft Erotik am besten. Weiter bitte!«
Viktor weiter: »Es ist nicht nur komisch. Es ist auch realistisch. Die Frau hat ihren Beruf aufgegeben, weil sein Schriftstellerjob genug abwarf. Nun kommt kein Geld ins Haus.«
Der Produzent warnte. Ehefrauen ohne Beruf seien zur Zeit nicht sehr beliebt. Keine Zuschauerin wolle sich mit einer Frau ohne Job identifizieren.
Viktor blieb hart: »Die Dramaturgie verlangt das. Die Frau will nicht verhungern. Sie will nicht ihr Ferienhaus aufgeben. Sie will aber auch nicht arbeiten. Der Mann muß Geld verdienen. Er muß wieder schreiben, und wenn er nur verliebt schreiben kann, muß sie dafür sorgen, daß er sich wieder verliebt.«
Erst hatte der Produzent skeptisch zugehört, jetzt ging ein Leuchten über sein Gesicht: »Männerphantasie, wir verkaufen das als Männerphantasie. Männerphantasien gehen noch besser als intelligente erotische Komödien. Männerphantasien gehen sogar im Herbst. Weiter!«
Viktor weiter: »Die Ehefrau des Schriftstellers ist nun gezwungen, nach Frauen Ausschau zu halten, die ihren Mann wieder entzünden könnten, nicht weil sie pervers ist, sondern weil der Laden sonst nicht läuft.«
Der Produzent bekam glänzende Augen, und er fing an, an der Exposition mitzudichten: »Natürlich ist dem Mann keine recht. Der Jäger will jagen.«
»Genau«, sagte Viktor, obwohl ihm die Männersolidarität schon längst zu weit ging: »Kein anständiges Raubtier nimmt das Fleisch, das man ihm hinhält. Der Leopard will die Gazelle springen sehen.«
»Ich sehe es vor mir«, sagte der Produzent und betete bereits begeistert die Namen von berühmten Schauspielerinnen und Schauspielern herunter, die er sich vorstellen konnte. »Und wie hört es auf?«
»Gut natürlich«, sagte Viktor, »tragische Schlüsse sind von mir nicht zu bekommen. Ein Funken fliegt. Er verliebt sich, kann wieder schreiben. Es hört so gutgelaunt auf, wie es begonnen hat, es hat eine Störung gegeben, einen Betriebsunfall, der Schaden ist behoben. die Ehe ist kein Jammertal mehr. Geld kommt ins Haus. Alles bleibt, wie es ist. Keine Läuterung.«
»Genial«, sagte der Produzent, und dann gingen sie essen. »Wie könnten wir das Kind nennen«, fragte er dann.
»Dichterliebe?« schlug Viktor vor.
»Zu dröge«, sagte der Produzent.
»Das Gästezimmer«, sagte Viktor, »das ist schließlich der Ort der teuflischen Verwandlungen.«
»Das wäre ein guter Krimi, wenn Sie den mal für uns schreiben, nennen wir ihn so.«
»Die Besucherinnen?«
»Zu harmlos.«
»Der Liebessalat«, sagte Viktor.
»Das ist es!« Der Produzent schrie vor Begeisterung, holte sein Handy hervor, rief seine Sekretärin an und sagte, sie solle sich sofort um den Titelschutz kümmern: »Der Liebessalat«.
Viktor machte ihn auf einen Film von Truffaut aufmerksam, auf den letzten dieser Reihe, wo der langsam erwachsen werdende Antoine Doinel von dem langsam erwachsen werdenden Jean-Pierre Léaud gespielt wird.
L’Amour en fuite
–
Love on the Run. Liebe auf der Flucht.
Der Held zappelt zwischen den verschiedensten Frauen: Jugendliebe, Ehefrau, Geliebte eins, Geliebte zwei. Er kommt nicht klar. Er
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