Der Liebessalat
nicht gegeben hatte. Jetzt gab es immerhin den klassischen »Anderen«, aber auch keine klassisch verfänglichen Situationen, die Viktor die Möglichkeit gegeben hätten, Stil und Gelassenheit zu beweisen. Er sehnte sich nun zwar mehr denn je nach einer eigenen neuen Liebschaft, aber gleichzeitig war da noch immer die Unfähigkeit, Liebe zu empfinden und zu entfalten. Noch immer ließen ihn alle Frauen kalt.
Tief im Keller war Viktors Stimmung, als sich eine Filmproduktionsgesellschaft aus Hamburg meldete und Interesse an seinen Schreibkünsten signalisierte. Das hatte es noch nie gegeben. »Toll Ihre Dialoge«, sagte ein freundlicher Produzent. Er selbst habe keine Zeit, aber seine Frau lese einen Viktor Goldmann Roman nach dem anderen und habe ihm die eine oder andere Szene vorgelesen. Hut ab. »Wieso schreibt der Mann keine Drehbücher?« habe sich er sich gedacht.
Viktor war gerührt, daß noch irgendwer auf der Welt seine Romane las. Seit über zwei Jahren hatte er nun keinen mehr veröffentlicht. In der Literaturbranche war er damit so gut wie tot. So jedenfalls fühlte er sich. Tot. Offenbar war er für Frauen von Filmproduzenten noch nicht gestorben.
»Grüßen Sie Ihre Frau«, sagte Viktor
»Mach ich, Sie Charmeur«, sagte der Produzent.
Wie viele Glücklosen war Viktor aber noch mißtrauisch und witterte Verschwörung. Die Vorstellung, Ellen könnte ihre Finger im Spiel haben, ließ ihn zögern. Eine Ehefrau, die sich hinter dem Rücken ihres gestrauchelten Mannes um dessen Auf-die-Beine-Kommen bemüht, war nicht das, was er sich wünschte. Horror: Ellen ruft einen ehemaligen Kommilitonen an, von dem sie weiß, das er im Filmgeschäft als Justitiar tätig ist, kurzer Erinnerungsaustausch, dann: Könnt ihr nicht was für Viktor tun, der ist total auf dem Hund.
Wenn das Interesse des Produzenten an ihm auf diese Weise zustande gekommen war, dann danke nein. Viktor verhörte Ellen und kam zu den Ergebnis: Sie hatte nichts damit zu tun.
Er folgte der Einladung nach Hamburg. Der Produzent lobte noch einmal die Dialoge in seinen Romanen: Witz und Leben – eine Seltenheit in Deutschland. Jetzt nur noch einen Plot und dann könne es losgehen. Am besten die uralte Geschichte.
»Welche uralte Geschichte?« fragte Viktor
Der Produzent lächelte: »Na, Ihre Geschichte. Ein Mann zwischen verschiedenen Frauen.«
Wieder wurde Viktor mißtrauisch. Der Produzent aber wußte nichts von seinem Leben, er bezog sich auf Viktors Romane, die seine Frau gelesen hatte. Er sah aus dem Fenster auf das Wasser der Elbe. Viktor starrte auf den Teppichboden, als könne er in seinem Muster lesen. »Also gut«, sagte er: »Ein Schriftsteller kann nur schreiben, wenn er frisch verliebt ist.
»Schriftsteller ist schon mal gut«, sagte der Produzent,
»Dummerweise ist er verheiratet«, fuhr Viktor fort, »seine Frau nimmt es hin, denn er macht es diskret. Bisher ist alles gut gelaufen. Dann, durch ein Versehen, durch eine Terminverwechslung, ruft eine seiner Liebsten an, die Ehefrau ist am Apparat, die Liebste kommt ins Plappern, sagt ungeschickt etwas von einem Hotel, schon bietet ihr die Ehefrau des Schriftstellers freundlich das häusliche Gästezimmer an, und es wird nichts mit der Liebesnacht im Liebesnest. Als der Ehemann nach Hause kommt, haben sich die Frauen bereits befreundet, der Sex ist futsch, die Bombe entschärft.«
»Sehr gut, sehr gut«, sagte der Produzent, »weiter!«
Viktor weiter: »Die Ehefrau verwandelt auf diese Weise eine Liebste ihres Mannes nach der anderen in harmlose Freundinnen, auch Liebschaften in der Planung werden auf diese Weise verhindert. Man weiß nicht, ist es ein Sport der Ehefrau, findet sie ihre Nebenbuhlerin wirklich nett – oder ist es Rache…«
»Rache, unbedingt Rache, Rache ist gut, Rache ist gefragt«, sagte der Produzent, »die Rächerin ist das, was die Leute sehen wollen.«
»Ich fände es psychologisch interessanter«, sagte Viktor, »wenn sie diese Frauen wirklich mag, wenn diese anderen Frauen über ihre Erotik hinaus Qualitäten haben, die der Ehemann in seiner blinden Liebe noch gar nicht bemerkt hat.«
»Psychologisch ist das Ganze sowieso nicht«, sagte der Produzent, »keine Frau würde einen solchen Mann ertragen.«
Viktor wurde ärgerlich. Dieser Produzent hatte keine Ahnung. Anfangs hatte er ihn für wesentlich älter gehalten als sich selbst – nur weil er Produzent war und über etwas Macht und Geld und graue Schläfen verfügte – und über eine
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