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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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schwarzen Haare – vor allem ihre völlige Mißachtung seiner Hingerissenheit von ihr steigerten eben diese Hingerissenheit von Mal zu Mal. Ella sah, daß sich die Kursleiterin nichts aus dem schmachtenden Viktor machte, obwohl dieser, um ihr zu gefallen, längst der fitteste Vorturner von allen Kursteilnehmern war, amüsierte sich über sein vergebliches Balzen, und verriet ihm genüßlich, daß diese famose Frau einen Mann und zwei Kinder habe, was man ihr wahrlich nicht ansehe und das ein drittes unterwegs sei. Diese Frau war Ira, dreißig Jahre alt, straff und blühend. Sie bekam ihr drittes Kind und dann ihr viertes und ignorierte Viktor wie am ersten Tag. Der befreite sich schließlich mit einer längeren Erzählung von seinem Leid, in der eine zweieinhalb Jahre währende aussichtlose Liebe zu einer Gymnastik-Kursleiterin beschrieben wird, die sich ausschließlich für ihre Kinder und ihren straffen Bauch interessiert und nicht für einen schmachtenden Dichter. Als die Erzählung in einem Magazin erschien, drückte ihr Viktor das Heft nach einer Fitneß-Stunde in die Hand. Sie nahm es so flüchtig nickend entgegen wie ihre Schecks. Am Ende der Erzählung hatte Viktor ohne Hoffnung einen Satz gekritzelt: »Wenn Sie noch Fragen an den Autor haben, kommen sie doch in seine Sprechstunde.« Dann hatte er einen Termin und ein Café genannt.
    Ira war gekommen, und es hatte sofort geknallt. Vier Wochen lang waren ihr ihre Kinder, selbst der Säugling völlig egal. Beide Ehen bekamen sofort Risse und fingen an zu zerbrechen. Von einem neuen Leben in Mexiko oder Neuseeland war die Rede. Viktor begriff, daß es auch eine andere Liebe gibt als die kalkulierte, austarierte, gezähmte, heimliche. Mochte der mexikanische Geier wissen, wie lange eine solche rücksichtlose Liebe hielt. Er war zu allem bereit. Und wenn die Leidenschaft ins Verderben führte – um so besser. Lange genug war er ein höflicher Betrüger gewesen. Dann litt Ella Qualen, und Iras Mann litt Qualen, und Ira litt Qualen, und Viktor litt Qualen und fragte sich, ob das kultiviertere Liebes- und Lebensmodell mit der Ehe als Basislager für gelegentliche Ausflüge nicht doch das bessere sei. Ira sagte plötzlich, nix Mexiko, auf den Trümmern von zwei Ehen könne man nicht gleich fidel heiraten, und verordnete eine Art Trauerjahr, in dem Viktor so litt, daß er gleich zwei Romane schrieb. In einem machte er aus Ira eine unberechenbare Ines, in dem anderen zahlte er ihr es noch heftiger heim und nannte sie Vira, weil sie mit ihrer Forderung nach einer absoluten Liebe so zerstörerisch wie ein Virus sei. Ella verwandelte er in eine Vera, die Wahrhaftige, und entschuldigte sich indirekt bei ihr, indem er sich selbst in der Rolle ihres untreuen Mannes schlecht machte und sie zur heimlichen Heldin. Er machte ihre Beine länger, ihren Bauch flacher und ließ sie verschiedene Sprachen flüssiger sprechen. Nur ihre Unart, mittags immer essen zu müssen, überging er nicht. Auch darüber, daß sie sich niemals ohne feinste Stoffservietten an den Tisch setzte, machte er sich lustig. Die Rezensenten des Romans fanden das allerdings besonders stilvoll und sahen in Vera die souveräne emanzipierte Frau – und Ella fing an, Viktor zu verzeihen, zumal sie als Landschaftsarchitektin erste Erfolge hatte und nicht mehr dem gärtnerischen Infantilismus von Viktor ausgesetzt war, der keine Lust hatte, auf ihre Anweisungen hin Unkräuter zu entfernen, und seine Faulheit mit dem Argument verbrämte, er sei auch im Pflanzenreich gegen ethnische Säuberungen. Iras Lippen waren voll und schön, aber als Vira im Roman bekam sie zur Strafe für ihr verheerendes Absolutheitsgerede einen Mund, der schief und mißgünstig war, was sie nicht daran hinderte, nach einem Jahr mit ihren vier Kindern vor Viktors Tür zu stehen: »Hier bin ich, genug gelitten!« Ohne Ellas Mittagsgerichte war Viktor vollständig abgemagert, was Ira gefiel. Das alte Feuer hatte dann immerhin noch für zwei Jahre Ehe gereicht, in denen Viktor Ira tatsächlich so gut wie treu war, was sie belohnte, in dem sie einem schönen schwarzen Mann aus Holland nach Amsterdam folgte, weil dessen Liebe noch absoluter war als die Viktors. Natürlich nicht so haltbar. Der absolute Schwarze war bald über alle Berge. Dann hatte Ira irgendeinen anderen Lover für alle Tage – und seit einigen Jahren gab es die kunstvoll wiederbelebte Liebschaft mit Viktor, ein zuverlässiges kleines ewiges Licht, das einfach nicht erlosch.

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