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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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stürzen, mehr mit einem Implodieren, mit einer geseufzten Erlösung.

    Nach wie vor brachte Viktor nichts zu Papier. Es war nicht so, daß ihm nichts einfiel. Es gab nur keinen Grund, etwas aufzuschreiben. Es war keine Frau da, der er etwas mitteilen wollte, kein Herz, das gewonnen werden mußte. Niemals in seinem Leben hatte Viktor auch nur eine Zeile Tagebuch geschrieben. Kritiker hatten ihm oft vorgehalten, er schreibe narzistisch. Aber war nicht viel mehr der Typus des Tagebuchschreibers ein Narziß?
    Entflammt und in einem Brief an Selma, oder auch Ira vielleicht, wäre er dieser Frage vielleicht nachgegangen, und der Gedanke hätte sich als halbwahr erwiesen oder auch nicht. So aber, nur für sich, zog er ihm kurz durch den Kopf, aber es wäre ihm vollkommen lächerlich vorgekommen, ihn für sich zu notieren. Wohin damit? Worte hatten nur Sinn, wenn sie von schönen Augen aufgelesen wurden. Es gab keine schönen Augen.
    Das Drehbuch war ein Witz gewesen. Geplänkel. Nie wieder. Diese Filmwelt mit ihrer Business Class – alles ein Witz. Ein Mißverständnis. Man konnte sich nicht mitteilen in einem Drehbuch. Nicht einmal Ellen hatte es als eine Mitteilung gesehen und angenommen.
    Einen Fortschritt immerhin hatte Viktor gemacht: Er hatte eingesehen, daß es sinnlos war, stundenlang im Arbeitszimmer herumzusitzen, wenn man nichts schrieb. Ebenso sinnlos war der Aufenthalt in seinen vier Wänden, wenn man keine Musik hörte.
    Viktor fing an, spazierenzugehen. Die Spaziergänge wurden länger und führten ihn aus der Stadt hinaus. Gern ging er bergauf. Der Züricher Hausberg war ihm zur rentnerhaft. Bald fuhr er ein Stück mit dem Auto oder dem Zug und ging irgendwo hoch. Er bestieg keine Gipfel, darauf kam es nicht an. Er besorgte sich keine Bergschuhe und keinen Rucksack, das war nicht sein Stil.
    Er wollte allein sein. Wenn die Gegend schön und das Wetter gut war, gesellte sich Penelope hinzu. Viktor hätte sich auch zu Hause auf das Sofa legen und einen Spaziergang in den Bergen vorstellen können, auf dem ihm dann Penelope begegnen würde – aber nur Phantasie und nichts als Phantasie, das war ein bißchen mager. Man sollte die Einbildungskraft nicht überstrapazieren. Wenn er schon Penelope nicht zu seiner wirklichen Gefährtin machen konnte, dann sollte wenigstens die Umgebung für die Phantasie wirklich sein.
    So fuhr er nach Luzern oder Bern und ging irgendwo hoch, bis es ihm zu ungemütlich wurde, dann ging er wieder hinunter. Es roch, wie es früher in den Bergen gerochen hatte, und so wie sich früher ab einer gewissen Höhe imaginäre Begleiterinnen zu ihm gesellt und seiner diffusen Sehnsucht ein erotisches Ziel gegeben hatten, so zauberte Viktor jetzt Penelope herbei, die stumm neben ihm ging, denn er kannte ja ihre wirkliche Stimme nicht. Wenn sie sich ihm ab und zu zuwendete und ihn anlächelte, sah er nur ihre langen Wimpern. Sie redeten nicht miteinander, sie verstanden sich wortlos. Und sie umarmten sich. Sie freuten sich aneinander. Sie liebten sich.
    Manchmal waren Ira und Selma seine Phantasiebegleiterinnen. Sie hatten Stimmen, mit ihnen kam es zu angeregten Gesprächen, denn sie kannte Viktor ja wirklich. Penelope ging meist ein Stück vor ihnen her, sie drehte sich nie um, aber Viktor wußte, daß sie lächelte und daß ihre Wimpern lang waren. Er sah ihren dunklen Haarschopf, die geraden Schultern mit den lässig pendelnden Arme, und schilderte Ira oder Selma wortreich, wie hingerissen er von Penelope war, die da so vor ihnen herschritt. Manchmal kam Erstexehefrau Ella und auch Ellen hinzu, beide ließen sich seinen Zustand erläutern und gaben ein paar Kommentare ab.
    Dies alles bewegte sich im Rahmen einer normalen Vorstellung. Viktor sprach mit anderen Männern nicht gern über die Liebe, über seine Liebesphantasien sprach er nicht einmal mit Adrian – und so wußte er nicht, ob seine Einbildungen üblich waren. Er konnte sich solche zarten Filme im Kopf von anderen Männern nicht vorstellen. Wie auch immer, er war Schriftsteller, und als ein solcher durfte man sich der Phantasie ausschweifend hingeben.
    Den Grad einer ausgewachsenen Wahnvorstellung hatten seine harmlosen Phantasien nicht, entschied Viktor und fragte sich, wie das bei echten Verrückten aussah, wenn sie Stimmen hörten und Gespenster oder auch freundliche Leute sahen – was sahen und hörten sie da wirklich, wie plastisch erschien ihnen das Trugbild, wie deutlich die Halluzination?
    Und dann hatte Viktor in den

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