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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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einer von beiden müsse eine Verletzung davontragen. »Bein ab, oder so«, sagte er: »Ganz ohne Schuld und Sühne geht es einfach nicht.«
    »Ihr Arschlöcher«, sagte Viktor.

    Jetzt, wo er wieder lebte, brauchte er auch wieder neue Musik. Eine Fahrt nach München war fällig. Auch wollte er Adrian von Penelope berichten. Und dann war es an der Zeit, zusammen mit der Tscherkessin zu prüfen, ob Ellens Entsexualisierungszauber noch wirkte. Penelope hin, Penelope her, die Penelope-Liebe ging ihm durch und durch und war seine Rettung, aber bis zur ersten Umärmelung würde es noch weit hin sein. Es war nur recht und billig, den vor etwa zwei Jahren so jäh abgebrochenen Kontakt mit der Tscherkessin wieder aufzunehmen und nach den sexuellen Verheißungen zu forschen, die damals im Raum standen. Wie in der guten alten Zeit des Überflusses schickte ihr Viktor eine Fahrkarte und nannte das Hotel.
    Sie hatte ihn schon vor ihrem neuen Punk-Hundehalsband gewarnt. Es war sexy, aber gewöhnungsbedürftig. Viktor unterdrückte mannhaft sein peinliches Berührtsein, als die Tscherkessin beim Anmelden im Hotel die scheinbar echt lüsterne Nutte spielte. Sie knabberte an seinem Ohr, strich mit ihren schwarzlackierten Fingernägeln kratzbereit über seine Hand, als er das Formular ausfüllte, und flüsterte so laut, daß es die Hotelfrau an der Rezeption mit ihrer strammen eierschalenfarbenen Polyesterbluse hören mußte: »Haben Sie nicht mein Hundehalsband bemerkt, Monsieur, wo ist Ihre Leine?«
    Das waren die Prüfungen der Tscherkessin. Nach einem Tag und einer Nacht hatte Viktor ihr System begriffen. Als er ihr Halsband gesehen hatte, war er sofort in ein Hotel ausgewichen, wo schräge Gäste nicht auffielen. Pension »Russia«, eine Absteige für halbseidene Besucher aus Osteuropa, die in München billig übernachten und massenhaft geschmacklose Dinge einkaufen wollten. »Für eine Tscherkessin ideal«, hatte Viktor gesagt. Die ungarischen und polnischen und weißrussischen und zum Teil mongolischen und usbekischen Hotelgäste hatten die Tscherkessin zwar entzückt, die ganze Nacht aber war sie dann schlechter Laune gewesen, behauptete, sie sei Viktor nichts wert, er sei nur zu geizig und zu spießig, um mit einer Frau wie ihr in ein besseres Hotel zu gehen. Sie hatte recht. Er war zu spießig. Zu feige. Zu geizig. Zu skrupulös. Den Fehler würde er nicht mehr machen. Und jetzt durfte er nicht den Fehler machen, sich bei der strammen Polyesterbluse an der Rezeption mit einem kurzen Blickwechsel für seine nuttenhaft sich aufführende Begleiterin zu entschuldigen und gleichzeitig um Verständnis zu bitten, daß er sich den Reizen dieser schönen Wilden nicht entziehen konnte. Deshalb unterbrach er das Ausfüllen des Formulars und flüsterte der Tscherkessin ins Ohr, so laut, daß es die Polyesterbluse hören konnte: »Du kommst gleich an deine Leine, meine kleine, geile Hündin.«
    Diesmal ging die Tscherkessin sehr weit. »Richte mich ab!« befahl sie Viktor. Die zweite Runde begann dann humaner, bis Viktor plötzlich von einer heftigen Potenzstörung heimgesucht wurde. »Goldmann, was hast du?« fragte die Tscherkessin besorgt. Viktor war wieder einmal eingefallen, daß er noch immer kein vernünftiges Einkommen hatte. Die Dreißigtausend Drehbuchvorschuß waren längst weg, die Platten und CDs kosteten mehr, als die Auflegerei einbrachte. Die Briefe an Penelope würden sich vielleicht irgendwann einmal in einen Roman verwandeln und hoffentlich Geld bringen, aber in ungewisser Zukunft und auch nur, wenn der Markt dann Appetit auf einen solchen Minnesingsang hatte. Seitdem er an Penelope schrieb, hatte er keine Zeile für Zeitungen und Zeitschriften mehr geschrieben und also nichts verdient. Er vollzog die ungewöhnlichen sexuellen Exerzitien mit der Tscherkessin in diesem teuren Hotel zweifellos auf Ellens Kosten. Eine kostspielige Unternehmung mit Penelope hätte er innerlich noch als nötige Investition für den nächsten Roman verrechnen können, dies hier war zwar sehr spannend, aber literarisch nicht sonderlich verwendbar, jedenfalls solange man keinen pornographischen Roman schreiben wollte.
    Viktor verriet der Tscherkessin den Grund seiner geschwundenen Lust und wunderte sich, wie ernst sie ihre Erste Hilfe nahm. Sie knieten beide im Bett voreinander. Wie ein japanisches Brautpaar saßen sie auf ihren Füßen. »’Ör mal, Viktor«, sagte die Tscherkessin und war jetzt nicht die Wilde, sondern trotz ihres

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