Der Liebessalat
verlangte Aufklärung. Die Tscherkessin warnte: »Die Gazellen-Geschichte dauert zwei Stunden.« Adrian wollte sie trotzdem hören. Die Tscherkessin fragte den jungen, jetzt nicht mehr mißmutigen Mann, ob er solange mit ihr ins Kino ginge. Er nickte wortlos und glücklich. Sie legte ihm ihr Halsband um. »Mein Pönk«, sagte sie. Sie sprach das englische »Punk« französisch aus: »Jetzt bist du mein Pönk, ‘örst du!«
Viktor, der endlich Gelegenheit hatte, die Geschichte seiner Liebe zu Penelope am Stück zu erzählen, faßte Adrian dankbar an die Schulter: »Adrian, Arschloch-Kollege.«
Dann erzählte er: Ellens Schwärmerei von der Italienischlehrerin mit dem schönen Namen, Barbaras Orakeln, wie dann das Phantombild entstand und von der Wirklichkeit übertroffen wurde. Seine ersten Briefe. Die orangefarbene Antwort. Und jetzt: ein Schwall von Briefen. Erlösung. Wieder schreiben können. Er bräuchte nur an ihr Gazellenmaul und das lässige äthiopische Pendeln ihrer Arme von der geraden Schulter zu denken, dann könnte er ihr schon wieder seitenlange Gesänge verfassen. Aber dann die Lehren aus der Vorgeschichte: Wie Ellen ihm eine Frau nach der anderen abspenstig gemacht hatte. Wie er das unbedingt vermeiden müsse. Wie er überhaupt nicht begreife, daß diese junge, hübsche, aufrechte, liierte Frau an seinen verschrobenen Bocksgesängen Gefallen finde – und wie er fürchte, daß sie ihn längst verachte. »Aber warum teilt sie mir das dann nicht mit?« fragte Viktor.
Adrian sah auf die Uhr: »Vierzig Minuten«, sagte er, »das geht ja noch.« Er gähnte unhöflich, um Viktor zu strafen, und kommentierte dann: »Das ist natürlich Petrarcismus pur. Penelope ist deine Laura. Laura schüttelt ihr Haar, und schon schreibt der Poet ein Sonett. Sie schlägt lieblich nach einer Mücke, schon schreibt er das nächste. Hauptsache, sie bleibt unerreichbar.«
»Hör auf«, sagte Viktor, »mein Ziel ist es, sie zu erreichen, nur deswegen schreibe ich ihr.«
»Ja, ja«, sagte Adrian, »natürlich.«
Viktor sagte: »Du weißt, was ich meine, wenn ich sage, ich will sie erreichen.«
»Ja«, sagte Adrian, »ich weiß es, bitte verschone mich mit deinen Liebesweisheiten. Du meinst damit, sie möge dir zehn Prozent ihres Herzens schenken, dafür bist du bereit, ihr dreißig Prozent Viktor-Herz zurückzugeben – oder so ähnlich.«
»Ja«, sagte Viktor, »so ähnlich.«
»Solche Frauen gibt es nicht«, sagte Adrian nach einer kurzen Pause.
Viktor sagte: »Daß es Frauen wie die Tscherkessin gibt, hättest du auch nicht geglaubt. Ich selbst übrigens auch nicht. Auch sie kommt in meinem Drehbuch vor. Die Filmleute halten sie für eine Männerphantasie.«
Weil Adrian wußte, daß Viktor langsam fragen mußte, wie es ihm mit Lisa ging, kam er ihm zuvor: »Lisa geht es gut, und mir geht es mit Lisa gut. Wir sind glücklich. Alles gesund. Alles in Ordnung.«
Viktor sagte: »Ich würde es nie erfahren, wenn es euch nicht sehr gut ginge, stimmt’s?«
»Stimmt«, sagte Adrian, »die Krisen der Monogamie gehen dich nichts an.« Er sah auf seinen Bauch: »So ein Leben wäre nichts für dich. Es wirft für dich nichts ab. Es ist aber schön. Es macht allerdings dick.«
Viktor erinnerte Adrian: »Du warst schon dick, als du allein und unglücklich warst.«
Wie viele dicke Menschen bekam Adrian plötzlich Hunger und bestellte eine Pizza. Die Pizza kam, Adrian schlang, und weg war sie. »Hast du dir schon mal überlegt, ob Ellen nicht dahinter stecken könnte?« fragte er plötzlich und wischte sich den Mund mit einer winzigen Papierserviette ab.
Viktor verstand nicht.
»Vielleicht hat Ellen alle Fäden noch immer in der Hand«, sagte Adrian und bot seine Deutung von Viktors Geschichte an: »Ellen hat dir deine Frauen ausgespannt, du kannst nicht mehr schreiben, darauf erfaßt sie ein Erbarmen. Ihrer Italienischlehrerin, denkt Ellen, wirst du dich nicht verschließen können, sie ist genau der Typ, der dich in Wallung bringt. Ellen darf jetzt keine Fehler machen. Sie muß es geschickt einfädeln. Zunächst schwärmt sie ständig von Penelope. Pe-ne-lo-pe, sagt sie, allein der Name ist Verführung. Der Rhythmus haut jeden musikalischen Menschen um. Aber deine Frauenfeindlichkeit sitzt tief – wie heißt das Wort dafür schnell wieder?«
»Misogynie, glaube ich«, sagte Viktor, »wunderbarer Unsinn, erzähl bitte weiter.«
Adrian fuhr fort: »Ellen weiß, daß du die Berge liebst. Da Penelope in die Berge geht,
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