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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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martialischen Nietenhalsbands die vernünftige Rebecca. Sie sprach zu ihm wie eine geduldige Lehrerin zu ihrem Schüler – und zwar nicht im Fach Sexualkunde, sondern Geschichte. Sie gab ihm Nachhilfe, wie man das verhaßte Bürgertum bekämpft. Erstens: Wer Geld hat, wird ausgenützt. Zweitens: Frauen betrogen ihre Männer seit Jahrhunderten, natürlich auf Kosten eben dieser Männer, das war ihr Recht. »Wie soll es sonst gehen, Viktor?« sagte sie, »was ist dabei Viktor, mon cher, deine Frau verdient gut, und du betrügst sie mit mir, jetzt ist es verkehrt herum, die Zeiten haben sich verändert, das ist die Emanzipation, du bist nicht anders als eine Ehebrecherin aus dem neunzehnten Jahrhundert, du bist Emma Bovary, a oui, baise moi, je suis ta chienne.«
    Er machte mit ihr, was und wie sie es wollte, danach war sie friedlich, und er war friedlich, und sie fragte ihn, was mit Penelope sei. Er schüttelte den Kopf, und sie sagte: »Goldmann, du Flasche!«
    »Du verstehst nichts vom Schmachten«, sagte er und verriet ihr, daß ihm nicht nur das fehlende eigene Geld auf die Potenz geschlagen hätte, sondern auch seine Gefühle für Penelope. Das Ficken mit der Tscherkessin und die Liebe zu Penelope kriege er noch auf die Reihe, sagte er, aber daß Penelope ausgerechnet die von Ellen so hochverehrte Italienischlehrerin sein müsse, sei schon ein Problem.
    Sie beschimpfte seine abendländischen Gewissensbisse und erinnerte ihn daran, daß sie vor nicht allzu langer Zeit ein Techtelmechtel mit Ellen gehabt habe, das ihm doch wohl nicht entgangen sei. Er, Viktor habe schließlich auch keinen Aufstand gemacht, als Ellen sich die Frau gegriffen habe, die er doch entdeckt habe –»moi«, sagte sie stolz und deutete auf sich. Warum also solle Ellen ihm nun nicht seine Liebe zu Penelope gönnen? Sie lachte lang, laut und hell. »Ne m’énerve pas«, sagte sie immer noch lachend. Wenn es Viktor zu kompliziert sei, mit anderen Frau zu schlafen, dann solle er es bleiben lassen – na und! Et alors!
    Als er sie gerade fragen wollte, was damals im Bett mit Ellen und ihr stattgefunden hatte, nahm sie ihr Hundehalsband ab, legte es Viktor um, zog daran und lachte. »Goldmann, ‘ör zu: Ich ge’öre niemandem.« Sie betrachte sich im Spiegel: »Ich mag deine Ellen«, sagte sie, »aber sie ‘at nicht viel übrig für die Wonnen der Unterwelt.«
    Am nächsten Tag gingen Viktor und die Tscherkessin in Adrians Plattenladen. Erst gab es Streit, weil sie fand, er solle sich auch ein Punk-Hundehalsband mit Nieten kaufen, das stünde ihm, er sei ein feiger Spießer, wenn er sich nicht mit Halsband auf die Straße traue. Mühsam konnte Viktor sie überzeugen, daß er das nicht feige, sondern zu bekennerhaft fände. Sie murrte. Sie fand das Zurschaustellen von Vorlieben obszön und aufregend.
    Adrian war nicht im Laden, er würde erst in zwei Stunden zurück sein, sagte ein mißtrauisch-mißmutig-autistischer Aushilfsmensch. Viktor suchte gierig nach Musik, die feurig genug war, um die alpine Penelope bei einem seiner nächsten Auftritte auf Gazellenart springen zu lassen. Er würde noch öfter auflegen und sie würde sich nicht jedesmal oben in den Bergen mit den Gletschern herumprügeln. Eines Tages würde er sie auf der Ebene zum Tanzen bringen. Es erfüllte ihn, Musik für einen bestimmten Zweck und für eine bestimmte Person auszuwählen. Über drei Stunden hielt sich Viktor mit dem übergestülpten Kopfhörer in dem Laden auf, hörte in zahllose Platten und CDs hinein und versuchte sich vorzustellen, wie sich Penelope danach bewegte. Wenn er sah, wie sie sprang, nahm er die Platte an sich. Die Tscherkesssin rauchte in der Zwischenzeit eine Zigarette nach der anderen und taute den mißmutigen jungen Mann auf, der ein Punk-Rock-Fan war, sich in einem Jazz-Platten-Laden verfehlt vorkam und nun an ihrem Punk-Halsband Halt und Gefallen fand.
    »Viktor, Arschloch-Kollege, treuer Kunde, was ist mir dir los?« fragte Adrian, nachdem er gekommen war. Er zählte die von Adrian ausgesuchten Platten und CDs: »Das kostet mehr Geld, als ich im Monat verdiene«, sagte er streng.
    Die Tscherkessin kam dazu. Viktor stellte sie vor.
    »Ich habe von Ihnen gehört«, sagte Adrian.
    »Was hat er erzählt?« fragte die Tscherkessin. Ohne eine Antwort hören zu wollen, deutete sie auf den Platten- und CD-Stoß: »Das zahlt alles die gute Gattin deines Freundes. Damit will er eine Gazelle verführen.«
    Adrian war nicht mehr auf dem Laufenden und

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