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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Preis.« Alles Geld und alle Zeit würde er geben für ein Lächeln oder gar wieder mal einen Brief von Penelope: »Dein Troubadour hat mich ins Mark getroffen. Er kann ja nicht nur schmachten. Er kann es ja auch krachen lassen. Komm, lassen auch wir es krachen.« Dieser Brief fehlte noch.

    »Hast du je Bob Dylan gehört?« fragte er Ellen beim Frühstück.
    »Sollte ich?« fragte sie zurück. »Schon lange nicht mehr. Sag mir erst, wie die anderen ihn fanden.«
    »Welche anderen?«
    »Na, meine Vorgängerinnen, die Ehefrauen natürlich nur, die legalen, ich will nicht deine ganze Lügenliste hören.«
    Viktor erschrak: »Was verstehst du unter ‘Lügenliste’?«
    »Ich will nicht wissen, ob und wenn ja welchen Frauen du hinter meinem Rücken welche Musik vorspielst oder zukommen läßt. Du würdest mir doch nicht die Wahrheit sagen, stimmt’s?«
    »Ja«, sagte Viktor, »das stimmt.«
    »Weil dir die Wahrheit ein zu pompöser Begriff ist, stimmt’s?«
    »Ja«, sagte Viktor, »auch das stimmt.« Und nach einer Höflichkeitspause: »Ella mochte ein paar wenige Klassiker von ihm. Das meiste ging ihr allerdings auf die Nerven. Dann sagte sie: ‘Bring doch mal den verdammten Yankee zum Schweigen’.«
    Ellen lachte. »Yankee, das ist gut. Und Ira?«
    »Ira mochte ihn sehr.
I And I
zum Beispiel, da verging sie.«
    »Typisch«, sagte Ellen.
    »Kennst du
I And I
?« fragte Viktor.
    »Nein, aber daß Ira vergeht, wenn einer so krächzt, das ist typisch.«
    »Beleidige meine zweite Ex-Frau nicht«, sagte Viktor.
    »Es gibt einen älteren Song«, sagte Ellen, »wo der Yankee irgendwas von einer Louise singt, die ‘near’ ist und von einer Johanna, die leider nicht ‘here’ ist. Den fand ich immer ganz gut.«
    Als Ellen in ihr Büro gegangen war, rief Viktor bei der Zeitung an, die ihn gestern um eine Glosse über den pflichtvergessenen Minister gebeten hatte. Denn da war es wieder, das parasitäre Gefühl: Ellen konnte nichts dagegen sagen, daß er von »ihrer« Penelope ebenso begeistert war wie sie selbst – und als Mann noch eine Spur begeisterter, aber sie sollte keine Minute arbeiten für seinen kostspieligen Spezialwahn.
    Die Redaktion der Zeitung hatte noch immer Interesse. »Ich glaube, ich schreibe das Stück jetzt doch gern«, sagte Viktor. »Prima«, sagte die Redakteurin, »und schonen Sie den Minister nicht, geben Sie ihm was auf die Finger.« Mit dem verabredeten Honorar konnte Viktor die doppelte Menge an Konzertmitschnitten kaufen. Die Minister-Beschimpfung sollte er in vier Stunden abliefern.
    Am Schreibtisch aber hatte Viktor dann doch keine Lust, die Liebe zu verraten, lobte den Minister für seine Pflichtvergessenheit und schickte den Text ab. Der Redakteur rief an und sagte: »Sind Ihnen die Zähne ausgefallen? Es war ausgemacht, daß Sie den Mann beißen. Und was machen Sie: Sie zeigen Verständnis!«
    »Das habe ich auch«, sagte Viktor. Der Text wurde nicht gedruckt, ein Ausfallhonorar wurde angewiesen, das für die georderten CDs immer noch ausreichte. Sofort erzählte Viktor in seinem nächsten Brief an Penelope davon: »Die Liebe, und sei sie noch so albern, wollte ich nicht verraten.«

Die große Tour

    Um sich ungestört von lästigen Nachfragen ohne Angaben von Gründen jederzeit in sein Arbeitszimmer zurückziehen zu können, gab Viktor die Devise aus, er arbeite an seinem »Ulysses«. Dann gab es immer ein Gelächter, denn nichts lag ihm ferner als ein avantgardistischer Roman. Er wollte damit durchblicken lassen, daß er mit einem größeren Stoff befaßt und zu keinerlei Auskünften bereit war. Gelogen war es nicht, schließlich schrieb er an Penelope, und die hatte als Gattin des Odysseus mit dem »Ulysses« einiges zu tun. Zwar interessierte er sich nicht für den Roman, der aus den Briefen an Penelope vielleicht einmal entstehen würde, aber er konnte auf diese Weise seine Besessenheit von und für Penelope bequem als Besessenheit für einen künftigen Roman tarnen – und das mit gutem Gewissen, denn es war nicht einmal falsch, es war seine übliche Methode, Bücher zu schreiben, die Ellen mit der raffinierten Verwandlung seiner Flammen in Freundinnen des Hauses außer Kraft gesetzt und die er sich wieder zurückerobert hatte.
    Wenn liebe Gäste nicht gehen wollten, wenn unliebsamer Besuch drohte, wenn Ellen Vorschläge zur Anschaffung neuer Küchengeräte machte, konnte Viktor jederzeit in seinem Zimmer verschwinden. Wenn Freunde kamen, galt seine Abwesenheit nicht als

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