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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Viktor, der Heide an seinem Schreibtisch und sah aus wie ein frommer Eremit, der in seiner Klause verzweifelt betet: die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, die Hände vor dem gesenkten Kopf gefaltet, preßte er die verschränkten Finger so fest zusammen, daß die Arme zitterten. Er spürte die Knochen der Finger, und nach einer Weile festen Drückens wurden ihm seine Hände fremd, und er hatte das Gefühl, es seien Penelopes Finger, die sich mit den seinen verschränkten. Mit dieser betrügerischen Meditation konnte er Penelope herbeizaubern und sich von ihr über ihre Abwesenheit hinwegtrösten lassen. Eine andere Übung war es, die Arme vor dem Oberköper zu kreuzen und die eigenen Schultern fest in die Hände zu nehmen und die Arme an den Körper zu pressen. Auch dabei entstand das Gefühl, eng mit Penelope verbunden zu sein und von ihr umrankt zu werden.
    Viktor litt, weil er keine Briefe mehr an Penelope schrieb und wünschte sich, sie möge darunter leiden, keine Briefe mehr von ihm zu bekommen. Sogar ihr Urs sollte leiden. Viktor gab sich wohltuenden Träumen hin: Urs sucht ihn auf, blaß, und bittet um ein Gespräch. »Monsieur Goldmann«, sagt er, »ich flehe Sie an, schreiben Sie ihr wieder. Sie lebt nicht mehr ohne ihre Briefe, sie ißt nicht mehr, sie springt nicht mehr. Sie steht den ganzen Tag am Fenster und starrt hinaus. Sie ist keine Gazelle mehr. Sie wird Kummers sterben. Erbarmen. Schreiben Sie ihr, Sire, hauchen Sie ihr wieder Lebenslust und Liebe und gute Laune ein. Von mir aus dürfen Sie Penelopen lieben, so oft Sie wollen. Nur bitte, retten Sie sie, schreiben Sie ihr.«

    Es wurde März, es wurde April, und Viktor begann nun, unter etwas anderem zu leiden, nämlich unter seiner Unbedachtheit, in seinem letzten Trotz-und-Trauer-Brief an Penelope den Monte Rosa als den Berg angegeben zu haben, den er erklimmen und auf dessen Gipfel er am 8. Mai um zwölf Uhr stehen werde. Er hatte das so dahingeschrieben, weil der 8. Mai ein sympathisches Datum war und der Name Monte Rosa hübsch nach Sonnenaufgang klang. So gern Viktor in den Bergen spazierenging, so hatte er vom Hochgebirge keine Ahnung. Erste Erkundigungen ergaben, daß für eine Besteigung des Monte Rosa Kondition. Erfahrung, Vorbereitung, Ausrüstung, ein paar Tage Zeit und gutes Wetter vonnöten waren – und daß es im Mai noch etwas sehr winterlich da oben sein würde.

    Treffen und Telefongespräche mit der Tscherkessin wurden verschoben. Ihr Hohn war Viktor zu hart. Nur Nazis kletterten auf hohe Berge, sagte sie. Ira war verständnisvoller. Einmal besuchte er sie in Amsterdam. Sie lachte, als Viktor verklärt von Penelopes Wort »Umärmelung« sprach, und sagte, der Ausdruck sei geläufig, ihre zwanzigjährige Tochter benutze ihn zur Zeit auch immer. Viktor hatte diesmal kein Hotelzimmer gebucht. Er hatte nicht mehr genug Geld. Als das Spiel begann und Ira ihn bat, zu gehen, um ihn dann – vielleicht – zurückzuhalten, sagte er, daß er diesmal kein Hotelzimmer habe und mit dem nächsten Zug zurückfahren würde. Da zog ihn Ira in ihr Bett, und es war eine Nacht mit ihr, so schön wie die schönsten Nächte vor ihrer Ehe. Sabine traf Viktor nicht, mit ihr schrieb er sich nur, sie wünschte ihm alles Gute. Adrian hielt Viktors Sehnsucht nach Penelope und seine Hoffnung auf ihr Monte-Rosa-Kommen für ein Zeichen geistiger Umnachtung. »Selbst wenn sie käme, Arschloch-Kollege«, sagte er, »wie willst du wissen, ob Ellen sie nicht gebeten hat, damit du heil vom Berg wieder herunterkommst?«

    An allen Montagen war Ellen nunmehr zu Hause, ein erster Schritt in Richtung ihres neuen Job-Sharings. Wenn Penelope zum Essen eingeladen war, hatte Viktor immer einen anderen wichtigen Termin. »Zu dumm«, sagte er, trieb sich in Bergsteigerausrüstungsgeschäften herum und besorgte sich Tourenbücher, Bergschuhe, einen Rucksack und die nötige Schutzbekleidung – und schrieb einen langen und gut honorierten Artikel über die Hostessen auf dem Genfer Automobilsalon, um seine Ausgaben zu finanzieren. Als er erfuhr, daß man neben Steigeisen und Eispickel für eine Besteigung des Monte Rosa im Mai unbedingt auch Skier und Steigfelle brauchte, wollte er aufgeben. Er haßte diesen Ballast. Er könnte Penelope einen Brief mit einem Korrekturvorschlag schreiben: »Auch der Wahnsinn hat seine Grenzen. Wollen wir uns am 8. Mai nicht lieber im Hallenbad treffen und ein paar Runden zusammen schwimmen?«
    Was aber war von einem Mann zu halten, der

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