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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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verfluchen und ihre umgehende Vernichtung ankündigen werde. Mit einem Hammer werde er die Zentren in seinem Hirn zertrümmern, die ihn so blind für die Wirklichkeit machten. Er hasse seine Hoffnungen, seinen Illusionismus, seine Visionen, die immer wieder zu Mißverständnissen und Gleichgewichtsstörungen führten, wie auch in diesem Fall, dem Fall Penelope, seinem bisher gelungensten Selbstbetrug, in dessen Verlauf er, der gehörnte Idiot, sich doch tatsächlich Chancen auf eine Gegenliebe der Gazelle ausgerechnet habe.
    Wie sich Viktor mit Erfolg in die Liebe zu Penelope hineingesteigert hatte, so steigerte er sich nun verbittert in einen Haß auf sich selbst hinein. Alle Vorwürfe, die ihm je entgegengehalten worden waren und die er verlacht hatte, häufte er nun über sich selbst auf, und hatte tatsächlich eine gewisse Lust bei der Vorstellung, er werde darunter ersticken – noch mehr Lust allerdings, rechtzeitig von Penelope gerettet zu werden, und zwar mit Worten wie: »So bist du nicht, mein edler Bergbock, ich kenne niemanden, der mehr Liebeskraft hat als du, glaub nicht denen, die sagen, du könntest die Frauen nicht halten, sieh her, ich bin ein Beweis, hier hast du mich, es war keine Illusion, ich habe doch die Echtheit deiner Liebe gespürt, glaubst du im Ernst, ich hätte dich nicht auch geliebt – und liebte dich nicht immer noch?! Wie ist es mit dir?« Da kröche Viktor unversehrt aus den Trümmern hervor, klopfte sich den Staub von den Kleidern, und endlich umärmelt sie ihn, und so stehen sie lange vereint und umschlungen, und sie fährt mit ihrer Hand über seinen Kopf und sagt: »Steht dir auch ganz gut so ohne Hörner!« Dann fragt sie: »Wie spät?« Es ist spät geworden, und sie muß bei Urs nach dem Rechten sehen und er bei Ellen – und sie verabschieden sich mit den schönsten aller Abschiedsworte: »Bis morgen!«
    Mit diesem Brief wollte Viktor sich selbst und auch Penelope seine Liebe erklären – sentimental, berechnend und wahrhaftig zugleich. Denn diese Liebe war durch Penelopes leichte Zeilen tatsächlich angeschlagen. Und während er die Schäden beschrieb, begannen die Illusionen wieder zu wuchern, und er hoffte, seine Liebe werde sich retten und stabilisieren lassen und dann vielleicht auf etwas mehr penelopesche Gegenleistung stoßen.
    Mit diesem Rettungsbrief war Viktor immer noch befaßt, als es am frühen Abend klingelte. Ellen war schon zu Hause und öffnete, Viktor wollte gar nicht wissen, wer zu Besuch gekommen war. Erst mußte die Frage beantwortet werden, ob die Liebe eine Seifenblase oder ein Luftballon oder, wie zu hoffen, keines von beiden war und ob auf der Basis von Selbstbetrug echte Gefühle gedeihen konnten. Es sah ganz danach aus. Wenn ja, wieviel Selbstbetrug konnte man sich zumuten, um diese Gefühle zu erhalten?

    Als Ellen und Viktor Stunden später eine Kleinigkeit aßen, sagte Ellen: »Schade, daß du zur Zeit so intensiv arbeitest. Penelope war da. Sie hätte dich auch gern gesehen. Sie sah wieder hinreißend aus.«
    Ganz ruhig bleiben, sagte sich Viktor, einfach weiterkauen und schlucken, als wäre nichts geschehen.
    »Du bist sehr gesprächig«, sagte Ellen.
    Viktor entschuldigte sich: »Diese verdammte Schreiberei! Man verliert jeden Sinn für die Realität.«
    »Sie heiraten im Sommer, süß«, sagte Ellen.
    »Wer heiratet?« fragte Viktor.
    »Penelope und ihr Freund, ich habe vergessen, wie er heißt.«
    »Urs«, sagte Viktor,
    Ellen staunte: »Was du alles weißt!«
    »Ich kenne ihn doch, von dieser Veranstaltung im letzten Sommer. Warum war Penelope da?«
    »Ich hatte meinen Schal in der Sprachschule vergessen«, sagte Ellen, »sie war in der Nähe und hat ihn mir gebracht. Am Montag ist jetzt übrigens immer mein freier Tag. Ich freue mich darauf, zu kochen. Am Montag hat auch Penelope ab Mittag frei. Ich würde sie gern an diesem Tag ab und zu zum Essen einladen. Hast du etwas dagegen, Viktor?«
    Wieder einmal nannte sie ihn beim Vornamen. »Nein, Ellen«, sagte er und fragte: »Hat sie denn Lust dazu?«
    »Sie hat genickt«, sagte Ellen, »sie nickt so süß.«
    »Wann heiraten sie?« fragte Viktor. Es kam so achtlos heraus, wie es geplant war.
    »Im Sommer irgendwann«, sagte Ellen, »im Juni, glaube ich.«
    Als Viktor wenig später wieder sein Arbeitszimmer ansteuern wollte, sagte Ellen: »Du siehst so müde aus, geh doch einmal zu einer normalen Zeit ins Bett.« Dann lachte sie leise, weil sie wußte, daß Viktor, selbst wenn er hundert

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