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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Muntere.
    Im Schwimmbecken des Hallenbads absolvierten die beiden Freundinnen Ellen und Barbara ihr allwöchentliches Pensum. Eine Zeitlang war Viktor mitgekommen, weniger, um seinen Körper zu ertüchtigen, als um Studien zu betreiben. Zwei Frauen im Bad: Ellen schwamm wie ein normaler unsportlicher Mensch, das Gesicht niemals im Wasser, »erhobenen Hauptes«, wie sie sagte. Barbaras Schwimmweise fand Ellen übertrieben: Bei jedem Stoß mit dem Kopf untertauchen und mit dem Scheitel das Wasser pflügen, dann prustend Luft holen und sich erneut kräftig voranstoßen. Alles andere bringe nichts, behauptete Barbara, Ellens Kopf im Nacken führe nur zu verhärteten Muskelsträngen. Sie zitierte die Krankengymnastin, von der Ellen und sie sich ihre Körper nach den geheimnisvollen Regeln der Osteopathie in Schuß halten ließen. Nach einigen Stößen aber ließ sie ihr musterschülerinnenhaftes Schwimmen sein und schwamm auf die osteopathisch verwerfliche Weise, weil man sich nur so unterhalten konnte.
    Ellen seufzte: Sie sei sicher gewesen, daß Viktor länger wegbleiben werde, aber er habe für morgen abend seine Ankunft angedroht.
    Barbara schnaubte: »Das wird dich doch hoffentlich nicht hindern, mit mir wie abgemacht am Wochenende nach Kopenhagen zu fahren!«
    »Natürlich fahren wir«, sagte Ellen. Sie wäre lieber gefahren, wenn Viktor nicht gewußt hätte, wo sie sich aufhielt. Vergnügt malten sich beide Frauen aus, wie Viktor am Samstag zurückkommen würde – und Ellen ist nicht da. Er sucht nach einer Nachricht und findet nichts. Er sucht und sucht. Er ist unsicher. Ein bißchen Verdacht wäre belebend. Die genüßliche Phantasie schloß Ellen mit der Bemerkung ab: »Ich freue mich auf das Wochenende mit dir in Kopenhagen, aber wenn ich Viktor schon nicht betrüge, dann wäre es mir lieber, wenn er sich wenigstens fragen müßte, was ich in Kopenhagen mache.«
    »Ziemlich verdreht«, fand Barbara.
    Ellen sagte, Viktor habe diese Windungen in ihre verdrehte Ehe hineingebracht, und jetzt drehe sie auch schon mit. »Diese verdammten Literaten!«
    Wenn Ellen Viktor in Schutz nahm, stichelte Barbara. Wenn sie aber nur das Geringste gegen seinen Beruf sagte, nahm sie ihn in Schutz. »Immerhin ist er erfolgreich«, sagte sie, »es gibt andere, die schreiben Gedichte und leben von ihren Frauen. Ich habe von so einem Arsch gelesen. Seine Frau ist Ärztin. Arbeitet vierzehn Stunden am Tag, damit ihr Alter in Ruhe ein paar Verse schreiben kann, die dann keiner druckt, und wenn doch, dann interessiert sich kein Mensch dafür. Sei froh, daß es nicht so ist.«
    »Schon, schon«, sagte Ellen, bestand aber darauf, daß es nicht ganz einfach sei, mit einem Menschen zusammenzuleben, der alles, was er erlebt, zu Papier bringt und zu Geld macht.
    Beim Abtrocknen und Anziehen an den Garderobeschränken erwogen beide Frauen, das Tarnen der erste grauen Haare bleibenzulassen. Anderseits wollten sie mit Ende dreißig nicht grau sein. Ellen verschwieg, daß sie von einer Stelle in einem Roman Viktors nicht unbeeinflußt war: Ines, also Ellens Vorläuferin Ira, kommt vom Friseur nach Hause und hat sich die Tönung herauswaschen lassen. Darauf ihr Mann: Aha, jetzt öko-grau. Ellen und Barbara kamen überein, weiter zu färben, aber nicht ihren Männern, sondern sich selbst zuliebe.
    Barbara machte Ellen Komplimente: »Du bist die ungewöhnlichste Ehefrau, die ich kenne.« Dann plötzlich überraschend intim und naiv: »Ist Viktor eigentlich sehr untreu?«
    Ellen blieb ungerührt. Wer für ungewöhnlich gehalten wird und gehalten werden will, muß ungewöhnlich bleiben: »Keine Ahnung«, sagte sie leicht, »kennst du einen Mann, der das zugibt?«
    Unweit von ihnen stand ein kolossales Muskelweib und salbte den Körper mit Bodylotion. Daß es solche Figuren noch gab. Manchmal nahm Ellen den Wahnsinn der Wirklichkeit wie Viktor wahr. Mit frühen Tagebuchaufzeichnungen hatte sie allerdings den Nachweis erbracht, daß sie schon vor der Zeit mit Viktor einen sarkastischen Blick gehabt hatte, daß also nicht das seltsame Zusammenleben mit einem Schriftsteller, und schon gar nicht dessen Bücher, ihren Blick geschärft hatten. Wie eine Kugelstoßerin aus einer untergegangenen Sowjetrepublik wirkte die gewaltige Muskelfrau. Sie hatte das kleine Gespräch über die Untreue und die Verlogenheit der Männer offenbar mitgehört und gab nun ein tiefes hormonverschobenes Gelächter von sich.
    Ellen und Barbara sahen sich an und lachten. Die

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