Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
der Souveränität angesehen werden noch und schon gar nicht als stille Dulderin. Es waren die Feinheiten am Rande, die sie lächerlich fand: Wie Viktor versuchte, einen triumphierenden Gesichtsausdruck zu verbergen, wenn er eine Eroberung gemacht hatte. Wie er versuchte, sieghaft aus der Wäsche zu schauen, wenn nichts gelaufen war.
    »Bei unserer Kopenhagenfahrt bitte ein anderes Thema«, sagte Ellen, als sie grüßend aus der Straßenbahn stieg.

    Am Samstag kam Viktor in Hochstimmung von seiner Lesereise zurück. Susanne hatte Köln abgesagt. Die Mutter ihres Mannes sei krank geworden. Viktor war erleichtert. Susanne wäre ein bißchen viel geworden. Er hatte noch immer damit zu tun, Bettina und die Tscherkessin in sein Leben einzuordnen. Die zwei Neuzugänge in seinem Harem waren zwar nur Optionen, aber das liebte Viktor besonders. Optionen waren voller Möglichkeiten. Die orientalische Verworfenheit der Tscherkessin brachte ein wüstes Element in seine kreuzbrave mitteleuropäische Welt. Auch Bettinas Mischung von mädchenhaftem Schmelz und moderner Kühle waren unbekannt und aufregend. Er hatte zwei Lose gezogen und nicht das Gefühl, es könnten Nieten sein. Insofern war »Los« das falsche Wort. Jede Bekanntschaft war bereits eine Neuerwerbung. Schon jetzt, auch wenn sich gar nichts entwickeln würde, waren Bettina und die Tscherkessin zwei Hinzugewinne, die ihn eine Weile beschäftigen würden, und auch die Begegnung mit Sabine war ein Gewinn gewesen, hatte die Erkenntnis gefördert und Aussicht auf eine würdige Wiedergutmachung eingebracht. Diese drei Frauen betrachtete Viktor wie drei Schätze, drei verschiedene Spannungen, drei verschiedene Erwartungen. Es war schon sehr aufregend, sich unterwegs verheißungsvolle CDs zu kaufen, die man nicht gleich hören konnte, jedenfalls wenn man ohne ein tragbares Abspielgerät reiste. Und eine Frau kennenzulernen, zu umwerben und Adressen auszutauschen war noch tausend Mal aufregender. Das immergleiche fröhliche Toben Susannes hätte Viktor abgehalten von seinen jetzt dringend notwendigen andächtigen Gedanken an Bettina mit der göttlichen Möbelprospektfigur und an die Tscherkessin, deren dunkle Andeutungen über die Wonnen der Sklaverei ihn in eine lustvolle Nervosität versetzten.
    So erleichtert über Susannes Absage war Viktor in Dresden gewesen, daß ihn zugleich wieder die Sehnsucht nach eben jener Susanne packte. Die Verläßlichkeit, mit der sie reagiert hatte, begeisterte ihn. Wie eine Schweizer Uhr. Es gab Frauen, die einen in solchen Fällen lange im Unklaren ließen und so alle anderen Planungen verhinderten. Susanne befolgte die ungeschriebenen Regeln des Wilderns: Heimliche Liebhaber und Liebhaberinnen müssen sich immer sofort informieren. Auch ihre Ungeniertheit gefiel ihm. Allein der erste Satz, den sie dem Dresdener Hotelmenschen diktiert hatte: »Vögeln in Köln muß ausfallen.« Ein kostbares Autograph. Statt seine Nägel zu feilen, schrieb Viktor sofort einen Brief an Susanne. Er schrieb ihr, daß er ihr schreibe, anstatt seine Nägel zu feilen, die er sich in Zürich nicht mehr habe feilen können, weil er an sie geschrieben habe und die er sich jetzt auch nicht mehr zu feilen brauche, weil sie sich in Köln nicht treffen und umarmen würden. Dies sei der Vorteil, wenn Liebe ausfalle – daß man seine Zeit nicht mit vorbereitender Körperpflege verplempern müsse. Dann pries er ihr gemeinsames Alter. Susanne war Anfang vierzig wie er. Wie wunderbar, schrieb er, nicht mehr der zitternde, eifersüchtige Jüngling von einst zu sein, den jedes abgesagte Rendezvous mißtrauisch mache und den Verdacht nähre, er könne bereits abserviert sein. »Oder bin ich abserviert, weil ich kein eifersüchtiger Jüngling mehr bin?« schrieb er vorsichtshalber dazu, um den Brief nicht allzu selbstsicher klingen zu lassen. Susanne könnte sich bei diesem charmanten und auch etwas ruppigen Brief fragen, ob ihm ihre Absage nicht ein bißchen sehr wenig ausgemacht habe, und sie sollte sich das sogar fragen. Sie könnte und sollte sich ruhig ein bißchen mehr Bedauern wünschen. Das war Viktors Art von Ehrlichkeit. Er wollte nicht als der kochende Liebhaber erscheinen, der ohne sie jetzt nicht wußte, wohin mit seiner Lust. Er war dieser Liebhaber nicht. Solche Briefe hatte Viktor früher geschrieben, und früher war es auch so gewesen. Solche Briefe machten Eindruck: »Ich schicke dir das Taschentuch, in das ich gewichst habe, in Gedanken an dich!« Nur prüde

Weitere Kostenlose Bücher