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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Frauen waren von solchen Sendungen schockiert. Viktor glaubte nicht, abserviert zu sein, und Susanne war nicht abserviert. Sie hatte auch keine Konkurrenz bekommen. Es hatte Nachwuchs gegeben, das war alles. Das aber brauchte sie nicht zu erfahren. Nicht jetzt. Sie brauchte auch nicht zu erfahren, daß er in keinen Abgrund fallen würde, wenn sie ihn fallen ließe. Er würde in den Schoß der Tscherkessin fallen. Andererseits sollte es mit Susanne so bleiben, wie es war: Der Topf mit ihren Gefühlen füreinander sollte auf dem Herd bleiben, heiß genug, um sie bei einem entschlossenen Verschieben auf die heißeren Platten rasch zum Brodeln zu bringen. Mit seinem Brief legte er gleichsam ein paar Scheite nach und zog den Susanne-Topf gleichzeitig ein bißchen aus dem Zentrum der Kochfläche.
    Das Bild von sich als Koch am Herd, der geschickt mit diversen Töpfen und Pfannen hantiert, erheiterte ihn. Nichts anbrennen lassen. Nichts kalt werden lassen. Aus der Kochkunst machte er sich wenig, aber als Metapher für die Kunst der Liebe war sie tauglich: Nur die Ärmsten der Armen essen immer dasselbe. Der kultivierte Mensch will eine abwechslungsreiche Speisekarte. Es wäre keine Strafe für Viktor, wenn Gott aus dem Himmel herabbrüllte: Du darfst dein Leben lang täglich nichts als Spaghetti mit Tomatensauce essen. Die Höllenpein für jeden Feinschmecker. Viktor würde schallend lachen. Für Viktor wäre es die Hölle, sein Leben lang mit ein und derselben Frau vorliebnehmen zu müssen. Einen Gott, der die Unverschämtheit besäße, ihm das zuzumuten, würde er mit Steinwürfen vom Himmel herabholen, fesseln und solange von einer Gruppe von Schönheitsköniginnen becircen lassen, bis er sein Gebot wiederriefe.
    Töpfe und Pfannen mit verschiedenen wohlriechenden Gerichten. Ellen wäre Rehgoulasch, Sabine Kartoffelbrei, Bettina Creme Caramel, Susanne Ratatouille und die Tscherkessin natürlich ein scharf gewürztes Hammelgericht. Ira Muscheln im Weißweinsud, keine Frage. Als Viktor beim Einchecken im Dresdener Hotel zusammen mit dem Zimmerschlüssel Susannes Absage ausgehändigt bekam und sie im Lift gelesen hatte, war sein erster Reflex gewesen, Ira in Amsterdam anzurufen. Köln – Amsterdam war keine Entfernung. Das heißt, es waren zwei oder drei Stunden, aber Ira war zu beeindrucken, wenn er Sätze sagte wie: »Ist doch keine Entfernung. Hast du nicht Zeit? Wir gehen Muscheln essen.« Sie reagierte dann entweder mit einem schnellen »Nein«, aber auf eine umwerfende Art, nämlich zitternd vor wirklichem Bedauern, eine ganze nicht zustande gekommene Liebesnacht schien in diesem »Nein« zu liegen. Oder sie sagte nach einigem Zögern »Na schön«, was aber nicht nach Liebe klang und nicht nach Liebe klingen sollte. Und damit das auch klar wäre, sagte sie nach dem »Na schön« auch noch giftige Worte wie: »Aber das ist keine Garantie für irgendwas, verstehst du, ich weiß nicht mal, ob ich Lust habe, dich bei mir übernachten zu lassen, es kann sein, daß du wieder zurückfahren mußt nach dem Muschelessen oder du nimmst ein Hotelzimmer.« Sie wollte sich vollkommen absichern, und es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte gesagt: »Damit das klar ist!« Irgendwie fand Viktor diese Art aufregend. Anzunehmen, daß ihre Reaktionen mit einem Lover zusammenhingen, der oft verreist und oft nicht verreist war. Darüber hinaus hatte Ira schon immer eine Neigung gehabt, sich zu einer Bedingungen stellenden Prinzessin zu machen. Als er mit ihr verheiratet gewesen war, fand er diese Masche unausstehlich, jetzt machte ihn ihre Unart lüstern. Seitdem er wieder Kontakt zu ihr aufgenommen hatte, hatte er ein paar Mal mit der gewünschten Unaufdringlichkeit angefragt, ob er sie zum Essen einladen dürfe. »Du bist in Amsterdam?« fragte sie – freudig überrascht fand er. Darauf Viktor wahrheitsgemäß: »Nein, aber nur vier Stunden entfernt.« Ein paar Mal hatte er ihr schönes »Nein« gehört, ein paar Mal ihr unschönes »Na schön – dein Risiko«. Er hatte es dann natürlich riskieren müssen, und ein paar Mal hatte es ihr tatsächlich gefallen, ihn nach dem Essen zu verabschieden. Stolz und ohne jedes weitere Drängen, ohne zu jaulen, war er von ihr gegangen, im wohligen Gefühl, sie bereue bereits die launische Ausweisung ihres Ex-Ehemanns. Ein paar Mal allerdings, wenn ihr danach war, hatte sie ihn mit zu sich genommen, und diese Male waren von einem solchen Zauber gewesen, daß er das Risiko der Abweisung immer

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