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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Frühstück nicht mehr allein. Die ersten Vertreter saßen schon da und futterten stumpf, und andere Vertreterkollegen kamen und setzten sich zu ihnen und es begannen schreckliche Gespräche über Marketing und Büro. Irgend etwas verkauften all diese Leute, und nie wußte man, was es war. Waren es Kugellager oder Hydraulikpressen oder Turnschuhe oder Düsen für Maschinen, die Luft in die Sohlen moderner Turnschuhe bliesen, damit die Gelenke der Jogger geschont und ihre Leistung erhöht und der Umsatz gesteigert würde. Solche Gespräche konnte man nicht erfinden, man mußte die zentralen Formulierungen aufschreiben, aber das tat Viktor jetzt nicht. Es war ihm auch egal, was in der Welt passierte, und er las keine Zeitung. In der nächsten Zeit, so nahm er sich vor, würde er sich hauptsächlich um seine etwas in Unordnung geratenen Liebesangelegenheiten kümmern.
    Der Zug nach Dresden über Berlin fuhr um halb neun. Wieder einmal war es nicht eilig. Viktor ließ den Brief an die Tscherkessin, der das Konzept zu seinem nächsten Roman enthielt, im Hotel kopieren und schickte das Original ab. Dann hatte er eine Aufwallung und schrieb an Ellen: »Gestern nach der Lesung fragte mich eine Frau aus dem Publikum, wie meine Frau mit meinen Bücher und ihren ewigen Frauenhelden klarkommt, ob sie wenigstens auch einen Geliebten habe. Ich sagte: ‘Hoffentlich mehrere!’ und schließe mich meiner Meinung von gestern an. Grüße unbekannterweise an Penelope. Richte ihr doch bitte aus, daß mir ganz mittelmeerhaft und milde zumute wird, wenn ich nur ihren Namen murmle. Warum die Engländer 1945 nicht Hannover plattbombardiert haben, verstehe ich nicht. Diese Stadt hätte die Auslöschung verdient, nicht Dresden, wo es heute hingeht.«

    Kaum hatte er den Brief eingesteckt, wurde ihm klar, daß Ellen ihn penetrant finden könnte. Er hörte sie sagen: »Es gibt auch ein Leben neben der Liebe!« Im Zug nach Berlin starrte er eine Weile verständnislos auf die kopierten Seiten mit dem Romankonzept. Das mit der Aversion vor mütterlichem deutschem Sex war vielleicht doch etwas zu deutsch und wichtigtuerisch nach dem Interesse des Feuilletons geschielt. Das mußte noch reifen. In Dresden im Hotel würde er sich endlich seine schlampig geschnittenen Fingernägel feilen, nahm er sich vor, und dann schlief er ein.

Die Frauen im Bad

    Das Büro, in dem Ellen residierte, war einer der Gründe, warum sie den Job in Zürich angenommen hatte. Es war hell und drei Mal so groß wie das peinlich kleine Kanzleizimmer in Frankfurt. Die Rechtsabteilung einer großen Schweizer Supermarktkette zu leiten, war das, was manche Menschen »eine Herausforderung« nannten. Menschen, die von beruflichen Herausforderungen sprachen, fand Ellen allerdings lächerlich. Ihre Kaltschnäuzigkeit und ihr Ohr für modisches Palaver waren neben ihrem Bedürfnis nach Distanz Eigenschaften, die sie eng mit Viktor verband. Ellen hatte ihre Vorgängerin Ira noch kennengelernt und sich gewundert, wie es der kritische Viktor mit einer Frau hatte aushalten können, die sogar eine Scheidung als »eine Herausforderung« bezeichnete. »Die einen liebt man für ihre Entgleisungen, die anderen für ihre Stilsicherheit«, hatte Viktor darauf gesagt. »Deine stillosen Aphorismen sind Entgleisungen, für die ich dich jedenfalls nicht liebe«, war Ellens Antwort gewesen.
    Es klopfte, die Tür ging auf, und Barbara wurde von einer Sekretärin in den Raum gelassen. »Hier bin ich«, sagte Barbara.
    Ellen blickte etwas verzweifelt auf: »Barbi? Ist es tatsächlich schon halb sechs?« Sie unterdrückte den Drang, unwirsch zu sein wie ein inmitten der Arbeit gestörter Mann. Obwohl sie nur noch ein paar Minuten gebraucht hätte, ihren Brief zu Ende zu diktieren, wäre sie sich in Barbaras Gegenwart damit zu wichtigtuerisch vorgekommen. Sie ließ den Schreibtisch, wie er war, und erhob sich: »Ich komme.«
    Barbara war nicht zum ersten Mal hier. Ein frisch an die Wand gepinnter Zeitungsausschnitt fiel ihr auf, die mit einem roten Balken versehene Schlagzeile einer Boulevardzeitung. Sie deutete darauf, lachte und las ab: »Weinkrampf an der Schreibmaschine«.
    Ellen nahm den Ausschnitt von der Wand. »Für Viktor.« Sie steckte den Ausschnitt in ihre Handtasche.
    »Wenn einer nicht weint, dann er«, sagte Barbara.
    »Zum Glück.« Ellen nickte und wechselte das Thema: »In deinen Fitneß Club kriegst du mich nie, das schwöre ich.«
    »Auf ins Wasser«, rief Barbara. Sie spielte die

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