Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
Kugelstoßerin lachte mit. Die drei Frauen lachten über sich selbst, über die Männer, über die Albernheiten der Liebe. Das Färben der Haare, das Fithalten der Körper, undankbare Männer, immer dasselbe, alles nur komisch.
    Zu Ellens Leidwesen beließ es Barbara nicht bei dem befreienden Gelächter, sondern fing in der Straßenbahn noch einmal vorsichtig mit Viktors Frauengeschichten an. Ellen ärgerte sich, daß sie sich den Satz abpressen ließ: »Manchmal treibt er es schon ein bißchen zu weit.« Sie sagte das, weil Barbara es hören wollte und dann vielleicht Ruhe geben würde. Sie wußte nicht, ob es ihre wirkliche Meinung war und wollte es auch nicht wissen. Barbara gab aber noch immer keine Ruhe: »Laß dir nichts gefallen.«
    »Das sagt man so«, sagte Ellen.
    »Droh ihm!« sagte Barbara.
    »Barbi«, mahnte Ellen. Sie rächte sich für Barbaras Aufwiegelei, indem sie die verhaßte Kurzform des Namens besonders gemein aussprach, wie zu einem kleinen Mädchen: »Das ist doch lächerlich, Barbi!« Sie erinnerte die Freundin daran, daß ihr Drohungen auch nicht geholfen hatten, als ihr Mann Thomas das klassische Initiationsritual mit seiner Sekretärin ausgelebt hatte.
    Barbara aber erinnerte sich an ihre damals erlittenen Demütigungen. Ellen sollte sich für sie an den Männern rächen. Sie konnte sich nicht bremsen: »Zahl es ihm heim«, rief sie feurig.
    Ellen wurde ungeduldig : »Ich zahle es ihm ja heim!«
    »Was?« Barbara war entzückt. »Ich ahnte es. Du betrügst ihn. Wunderbar.« Sie war laut geworden.
    Plötzlich hörten sie ein gewaltiges Gelächter. Die kolossale Kugelstoßerin aus dem Bad saß hinter ihnen und hatte sie ein weiteres Mal belauscht. Ellen bedauerte, Viktor nichts von dieser Frau erzählen zu können, zumindest nicht darüber, bei welchen Stellen sie sich bemerkbar gemacht hatte. Ellen sagte, Barbara solle nicht immer von sich und ihrer Ehe ausgehen. Viktor sei einer, der nur darauf warte, daß sie es ihm heimzahle. Also sei das Heimzahlen kein Heimzahlen. Nichts würde ihm mehr in den Kram passen und ihn entlasten, als wenn sie eine Affaire hätte. »Deswegen sage ich nichts, wenn ich etwas habe, ihm nicht und dir auch nicht.« Sie sei Anwältin, fügte sie mit einem Anflug von Stolz hinzu, sie könne schweigen.
    Barbara wand sich vor Neugier: »Wer ist es? Kenn ich ihn?«
    »Barbara«, sagte Ellen jetzt wirklich streng, »ich bitte dich! Nicht solche Fragen. Mehr Niveau.« Und nach einer kurzen Pause: »Das Leben besteht nicht nur aus Liebe.«
    Der Satz hätte von Viktor sein können, dachte sie, und genierte sich etwas. Viktor hatte keine Angst vor banalen Sätzen. Im Zusammenhang seiner Bücher klangen sie manchmal plausibel. Aus dem Zusammenhang gerissen waren sie fürchterlich. Das Leben besteht nicht nur aus Liebe – inhaltlich allerdings war nicht zu bestreiten, daß es neben der Liebe auch die Arbeit gab. Ellen war mehr mit Arbeit befaßt als mit Liebe. Der normale nichtarbeitslose Mensch arbeitete acht Stunden am Tag. Kein Mensch war so lange Zeit mit der Liebe beschäftigt. Ellen arbeitete zehn oder auch zwölf Stunden. Viktor arbeitete unentwegt. Sie arbeiteten beide zuviel. »Wir sind zugeschissen mit Arbeit«, sagte Ellen, »zugeschissen, verstehst du, Barbi!« Barbara war Musiklehrerin an einem kleinen exklusiven Gymnasium, halbe Stundenzahl. Ein beneidenswerter Job mit vielen Ferien, dessen Mühen im Kreis der erfolgreichen Juristen- und Architekten- und Facharztfreunde nicht gesehen wurde. Sie schwieg jetzt kleinlaut und tat Ellen leid. »Viktor kann zwischen Arbeit und Liebe nicht unterscheiden«, erklärte sie, »er hat Geschichten laufen, die er ausbeutet. Er saugt seine Liebesgeschichten aus – und er wird dabei ausgesaugt. Wir haben wenig Zeit füreinander.«
    Barbara fand Ellen zu tolerant. Sie fand, Ausbeutung sei das falsche Wort. Viktor koste seine Gefühle genüßlich aus. Sie würde gerne wissen, wie dieses Auskosten im einzelnen aussehe.
    Ellen hatte keine Lust mehr. Das Thema ging ihr auf die Nerven. Barbaras Schweizer Tonfall ging ihr auf die Nerven. Die wie ein Riesenspielzeug zur Zürich ratternde Straßenbahn ging ihr auf die Nerven. Sie hätte sich lieber in einer schmuddeligen alten lauten U-Bahn in Paris oder London – und in einer anderen Sprache –über dieses Thema unterhalten. Es war ihr nicht immer, aber doch oft ziemlich egal, ob Viktor etwas mit irgendwelchen Frauen hatte oder nicht, und sie wollte deswegen weder als ein Monster

Weitere Kostenlose Bücher