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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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zu weit gegangen. Er hatte nichts gegen den unbekannten Nebenbuhler, im Gegenteil, dieser Mann versorgte ihn mit dem angenehmen Prickeln eifersuchtsartiger Gefühle. Diesem Mann, ein holländischer Informatiker, von dem er nicht einmal den Namen kannte, verdankte Viktor überhaupt das Glück einer entspannten Ira. Die Vorstellung aber, daß dieser Informatiker mit einem als größtmöglichst anzunehmenden Phantasiemangel zusammen mit eben jener Frau, die die Vorlage einer Frauenfigur aus einer von Viktors Erzählungen war, in die Stadt reiste, in der diese Erzählung spielte, und dann das mit der Frau machte, was in dieser Erzählung diese Frau mit sich machen ließ– das war zuviel. »Ich erlaube es nicht, daß dein Typ einen Text von mir als Drehbuch benutzt und daß du da mitspielst«, sagte Viktor. »Wie wär’s, wenn wir zu viert nach Lissabon führen«, sagte Ira. Es war ihr Ernst. Viktor war sicher: »Das wäre das Ende.«–»Warum?« fragte sie.
    Aza übrigens hatte Viktors Buchsendung seinerzeit nie mit einer Silbe kommentiert, fragte aber nach, was mit dem Mann fürs Leben sei, den er ihr vorstellen wollte. Auch wenn ihre Mittlerrolle unfreiwillig gewesen war – dank ihrer Haare, ihrer Hände, ihrer Haut hatte er nun Gelegenheit, ab und zu mit der Haut und den Haaren und den Händen Iras in Berührung zu kommen. Viktor wollte sich erkenntlich zeigen und Aza beglükken. Er fragte Said. Said war ein persischer Arzt in Wiesbaden. Viktor kannte ihn aus der Frankfurter Zeit vom Klarinettenunterricht. Deutsche Frauen machten dem hübschen Said große Augen. Eine Orientalin aber wäre ihm lieber. Viktor rief Said an und schwärmte ihm so vehement von der Prinzessin Aza vor, die einen möglichst persischen Prinzen suchte, daß Said nach Zürich kam. Viktors Märchen von der Prinzessin Aza reizte ihn. »Angenommen, ihr werdet ein glückliches Paar«, fragte Viktor, »würdest wenigstens du mir erlauben, Aza drei mal drei Tage im Jahr zu entführen.«–»Wo denkst du hin«, sagte Said lachend, aber empört. –»Du bist doch mein Freund«, sagte Viktor, »du hättest sie mir zu verdanken. Warum so kleinlich? Wenn umgekehrt du mir diese Frau verschaffen würdest, ich würde sie dir drei mal dreißig Tage im Jahr gönnen.«– Said schüttelte unnachgiebig den Kopf, als wäre er bereits Azas Mann: »Niemals«, sagte er zornig, »keine Stunde dürftest du mit ihr allein sein.« Jetzt sah er nicht wie ein moderner Gefäßchirurg aus, sondern wie ein Wüstenscheich. »Ihr tickt doch nicht richtig, ihr komischen Orientalen«, rief Viktor: »Ihr seid mordsmäßig gastfreundlich und stopft einen mit euren Delikatessen voll, aber wenn man zu euren Frauen nett sein will, dann werdet ihr mittelalterlich.«
    Sie gingen zu dritt essen. Persisch und pakistanisch gab es nicht in Zürich. Also indisch. Köstlich das Essen, eine Katastrophe der Abend. Aza schenkte dem ihretwegen angereisten Said kaum Beachtung und hielt sich an den vertrauten Viktor, zu dem sie so charmant war wie nie zuvor. Nie mehr in seinem Leben, hatte sich Viktor damals vorgenommen, würde er sich in die Liebesangelegenheiten anderer Menschen mischen.

Das Gästezimmer

    Ein Jahr etwa lag die Geschichte mit Aza zurück. Viktors erotische Empfindungen für die schöne Orientalin waren so gründlich an der Wirklichkeit abgeprallt, daß ihm die Affaire, die keine hatte werden wollen, schon jetzt so fern wie seine Kindheit erschien. Die Gegenwart war Ellen. Und die teilweise wiedergewonnene Ira. Und Susanne. Und ein bißchen Beate. Und Ellens verwunschene Italienischlehrerin, Penelope gehörte eindeutig auch zur Gegenwart. Ohne die Visionen von Penelope als letzte Zuflucht bei allzu harten Rückschlägen in der Realität ging es nicht. Und das mit Sabine mußte auch noch repariert werden. So wie in der Nacht in Hannover durfte eine Geschichte, die einmal schön begonnen hatte, nicht zu Ende gehen. Und vielleicht würde die Nasenring-Tina noch einmal in sein Leben treten. Und neuerdings war da die Tscherkessin. Sie hatte bereits einen festen Platz in seinem Herzen. Vielleicht war sein Scheitern bei Aza der Grund, warum ihn die Tscherkessin derart elektrisiert hatte, beziehungsweise warum er eine Jüdin aus Korsika für eine tscherkessisch-kaukasische Windsbraut gehalten hatte.
    Kaum war Viktor von seinem Gang durch das spätsommerliche Zürich und einem ausgiebigen Besinnungsaufenthalt in einem Café zurück, notierte er folgenden Dialog: »Du bist ein elender

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