Der Liebessalat
Dänen nicht genug bekommen können und würde ihr Viktor zunehmend als ein minderwertiger Patron erscheinen, würde sie an jedem Wochenende nach Kopenhagen fahren und nach einem halben Jahr sagen: »Du, Viktor, ich glaube, wir passen nicht mehr zusammen«, dann würde sie ziemlich sicher einen Satz zu hören bekommen, der ihr aus Viktors Büchern bekannt sein dürfte: »Das glaube ich allerdings auch, daß wir nicht mehr zusammenpassen.« Keiner Frau der Welt war es zu verübeln, fand Viktor, wenn sie es mit einem Mann wie ihm nicht aushielt. Eine verschwindende Ellen würde ein großes Loch in sein Leben reißen, weil er das coole und kumpanenhaft-abgefuckte Zusammenleben mit ihr schätzte und weil er diese seine dritte Ehe für die bestmöglichste aller verdammten Ehen hielt. Es wäre ein Jammer, wenn diese Basis zerstört würde. Er wäre eine ziemlich lange Weile ziemlich am Boden, aber er wäre nicht eifersüchtig auf den anderen. Er würde ziemlich sicher keinen Groll hegen. So selbstbewußt Viktor auch war, es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, daß man von ihm genug haben konnte. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als die verdiente Abkehr anzunehmen.
Die klassische Eifersucht kam zustande, weil die Leute das animalische Gefühl hatten, ein Unberechtigter dränge sich dazwischen und mache ihnen ihre mühsam erkämpften Ansprüche streitig. Viktor aber kannte so etwas wie qualvolle Eifersucht nur auf einer abgehobenen Ebene, nämlich von der Warte des vollkommen Unberechtigten aus. Je unberechtigter seine Ansprüche, desto quälender das Eifersuchtsgefühl. Bettina zum Beispiel, genannt die Nasenring-Tina. Ein Flirt auf einer Zugfahrt, mehr war es nicht gewesen. Ihr Privatleben ging Viktor einen Dreck an. Er kannte diese Frau kaum. Es gab keine Spur einer verbindlichen Verabredung, nichts dergleichen. Nur zu einem lächerlich hundsgemeinen Adressenaustausch war es gekommen. Und doch tat bereits der Gedanke weh, Bettina könnte einen Freund haben, der es wagen würde, sich an eben jenem Nasenring zu vergreifen, auf den Viktor doch ein Gedicht geschrieben und den er damit zu seinem geistigem Eigentum gemacht hatte.
Am meisten machte Viktor seine Penelope-Eifersucht zu schaffen. Als Ellen und Barbara wieder einmal von den Wundern der italienischen Konversationsstunde und dem Charme ihrer Sprachlehrerin schwärmten und damit im Inneren des beiläufig lauschenden Viktor die Vision von der unbekannten Schönen erneut belebten, fiel plötzlich das furchtbare Wort von einem Freund, dem Penelope nach den Vermutungen von Ellen und Barbara auf eine geradezu himmlisch-unbeschwert-überglückliche Weise verbunden zu sein schien. Diese Nachricht hatte Viktor ins Mark getroffen. Er hatte bisher Penelope jederzeit aus dem Nichts herbeizaubern und zu seiner Gefährtin machen können, egal ob bei Straßenbahnfahrten oder im Museum oder in einem Hotelzimmer. Penelope war seine erotische Universaltrösterin. Seit dieser Hiobsbotschaft aber war sie nicht mehr uneingeschränkt verfügbar. Auch in Viktors Phantasie mußte nun erst einmal Penelopes Freund verreist sein, oder sie mußte sich ein bißchen langweilen mit dem Freund, sonst war es nicht glaubhaft, daß sie sich mit Viktor abgab. Gedanken mochten frei sein, eine anständige Phantasie unterlag den beinharten Gesetzen der realen Psychologie.
In der Tat war es so, daß die Vorstellung, die ihm persönlich unbekannte Penelope könnte mit ihrem ihm noch viel unbekannteren Freund zusammen zärtlich im Bett liegen, Viktors Poetenseele dermaßen quälte, daß sein Poetenkörper mit unregelmäßigen Herzschlägen und Schweißausbrüchen darauf reagierte, während das Bild von seiner Ehefrau Ellen im Bett mit einem dänischen Nobelpreisträger zunächst nichts als Heiterkeit und gute Laune in ihm erzeugte. Neulich nach einem gemeinsamen Auftritt mit Adrian hatte er dem Freund beim Frühstück im Hotel eben dies erzählt, als die Liebe unvermeidlich zum Thema des Gesprächs wurde. Adrians letzte Freundin hatte schon vor einer Weile das Weite gesucht, seitdem litt Adrian an seinem Liebesmangel, während Viktor eher die Fülle der Liebe zu schaffen machte. Was die Frauen betraf, war Viktor vergleichsweise vermögend, und man konnte schlecht einem, der nichts hat, zum Trost die Nachteile des Reichtums ausmalen, wie ein perfider Geldhaber, der einem arbeitslosen Schlucker etwas von den grausam schwankenden Aktienkursen vorjammert. Um Adrian nicht noch trauriger werden
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