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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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und beantwortete seine Briefe nicht mehr. Das tat weh. Das Leiden an der niederträchtigen Undankbarkeit solcher bösen Frauen mußte für seine Bücher genügen, fand Viktor. Er für seinen Teil brauchte nicht noch das große Elend der Welt, um sein literarisches Spektrum anzureichern. Er hatte keine Lust, seine Romanfiguren in den Elendsvierteln von Bombay oder Rio zu läutern oder sie mit hysterischen Muselmanenmännern und afrikanischen Massai-Proleten zu konfrontieren, die keine Macht der Welt von der Beschneidung ihrer Frauen abbringen konnte. Selbst Alkoholismus und Drogenprobleme, mit denen sich eine gewisse Wohlstandsdramatik erzeugen ließ, lehnte er als literarische Effekthascherei für seine Bücher kategorisch ab.
    Ellen las mit demonstrativer Konzentration Bücher, die Viktor niemals lesen würde. Schon Erstexehefrau Ella hatte ihn mit solcher Lektüre gestraft. Sollen seine weiblichen Fans sich an seinen Witzen weiden, dachten die Ehefrauen wohl, wir ziehen ernste Literatur vor, in der das Höchstmaß an Leid nicht darin besteht, daß ein Mann sich zwischen zwei Frauen nicht entscheiden kann, weil es ihn irritiert, daß eine dritte ihm ihre Gunst nicht schenken will.
    Dies übrigens war ein Punkt, an dem Viktor verwundbar war. Er konnte sich Ellen in Kopenhagen mit allen möglichen dänischen Männern in einem Hotelzimmer vorstellen, ohne unruhig zu werden. Eine Art Bitterkeit stellte sich erst ein, wenn er den Dänen in einen ernsthaften Schriftsteller verwandelte, in einen Typen, der mit Menschenrechtsorganisationen durch die Welt zog und sonor seine gewichtige Stimme erhob, wenn der Ernst der Lage nach klugen Köpfen mit vernünftigen Ansichten verlangte.
    Jetzt, wo Ellen in Kopenhagen war, nutzte Viktor die Zeit zu einer kurzen Meditationsübung in Sachen Eifersucht, einfach um dieses ordinäre Gefühl wieder einmal ansatzweise zu kosten. Er gab dem Dänen in Ellens Bett mehr Haare, als er selbst hatte, und ließ ihn größer und markanter aussehen. Es war ein Kollege, der seine Zeit nicht damit verplempert hatte, den Frauen hinterher zu rennen, sondern China oder die arabischen Länder oder wenigstens den Balkan bereist und darüber kluge Bücher geschrieben hatte, ein Mann, den man in die Talkshows einlud, wenn in diesen Regionen Konflikte ausbrauchen, und der dort kein Blech redete: Einer von den seltenen Autoren, die mit ihren imponierend klaren, überzeugenden, fortschrittlichen Ansichten in den Fernsehstudios saßen, bescheiden, ungeschwätzig und völlig souverän. Einer, gegen den Viktor wie ein Narr wirken mußte. Viktor war ziemlich sicher, Ellens Gedanken erraten zu können, wenn er mit ihr zusammen Sendungen sah, in der solche selten klugen Leute eine gute Figur abgaben: »Wenn ich schon an einen Schriftsteller geraten bin«, mochte sie denken, »warum kann es nicht einer von der Sorte sein?« So dürfte Ella auch gedacht haben. In der Beziehung waren beide Frauen echte Kulturbürgerinnen.
    Viktor war sich nicht ganz sicher, ob er in solchen Augenblicken nicht selbst ein seriöser Autor sein wollte, einer, den der Bundeskanzler oder der Bundespräsident bitten läßt, ihn auf eine Fernost- oder Lateinamerikareise zu begleiten, weil auf so viel Scharfsinn und Kompetenz auch ein Kanzler oder Präsident unmöglich verzichten kann. Viktor hingegen wurde allenfalls zu Talkshows eingeladen, wenn den Sendern in völlig krisenfreien Zeiten nichts anderes einfiel, als darüber diskutieren zu lassen, ob der neue Mann neuerdings Angst vor der neuen Frau haben müsse – und Viktors Souveränität bestand allein darin, den Einladungen zu solchen Talkshows nicht zu folgen.
    Ja, tatsächlich, es tat ein bißchen weh, den Dänen in Ellens Bett mit solchen Qualitäten auszustatten. Aber nicht lange. Dann hörte Viktor den Rivalen dozieren, und er sah, wie Ellen sich langweilte, wie es ihr zunehmend auf die Nerven ging, daß hier ein Typ dauernd den Schrott der Welt pompös vor sich hertragen mußte und damit die Ärsche des Feuilletons beeindruckte. Schon spürte er, wie sie sich nach Viktors dreckigen Bemerkungen über die Wichser von der Hochkultur zu sehnen begann. Und wenn dann der dämliche Däne auch noch besitzergreifend werden und ihr vom Umgang mit dem nicht ernst zu nehmenden Weiberhelden Viktor Goldmann abraten würde, spätestens dann hörte er sie sagen: »Du korrektes, redliches Arschloch kannst mir gestohlen bleiben!« Würde Ellen das nicht sagen, würde sie von der Redlichkeit dieses

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