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Der Liebessalat

Der Liebessalat

Titel: Der Liebessalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
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Sympathie und Solidarität – natürlich nur, wenn keine Polizistin dabei ist. In dem Fall läßt man diese dumme Bemerkung. Die Polizisten rufen in der Zentrale an. Wohnsitz, Geburtsdatum – Viktors Angaben sind perfekt. Ellen Goldmann ist die Ehefrau des verdächtigen Fahrers und Halterin des Wagens. Schöne neue Welt. War man kein Gesuchter und ähnelte man keinem Terroristen, hauste man in keinem Asyl und war als ordentlicher Bürger gemeldet, dann hatte man nichts zu befürchten in einem zivilisierten Land. Wenn man Goldmann hieß, konnte man allzu freche Ordnungshüter noch immer mit der Frage einschüchtern, ob sie etwas gegen Juden hätten. Natürlich mußte man neckisch fragen. Damals hatte der Polizist freundlich genickt und den betrunkenen Viktor weiterfahren lassen.
    Nicht einmal Spaß am Rauchen hatte Viktor ohne Begleitung. Essengehen kam auch nicht in Frage. »Ich würde Verhaltensstörungen bekommen«, sagte Viktor, »ich wüßte gar nicht, wo ich beim Essen hinsehen sollte, allein in einem Lokal.« All diese Sonderbarkeiten eigneten sich vorzüglich als Argument für die Ehe. Wer immer über seine Vorstellungen von Ehe den Kopf schüttelte und nach Gründen für sein Verheiratetsein fragte, bekam von Viktor zunächst Hymnen auf die eingeschränkten Nebenliebschaften zu hören, die nur die Ehe möglich mache, weil ohne Ehe solche Nebenliebschaften an ihrer Uneingeschränktheit zugrunde gingen. Danach versicherte Viktor, wie ihm persönlich das Eheleben mit Ellen wichtig sei, nein, nicht damit sie seine Hemden bügle, was für eine infame Unterstellung, er hasse gebügelte Hemden, er sei in der Lage, seine Hemden selbst zu waschen und aufzuhängen, nein, nicht das Versorgtwerden sei das, was er in der Ehe suche, pfui, so spießig sei er nicht, vielmehr schenke ihm seine geliebte Ehefrau Ellen den Spaß am Leben, ohne sie würde er noch weniger rauchen und trinken, gesünder leben und noch älter werden und noch mehr Bücher schreiben.
    Warum, fragte sich Viktor um drei Uhr nachts in seinem Arbeitszimmer in der Züricher Wohnung, während Ellen höchstwahrscheinlich allein in Kopenhagen in einem Hotelbett schlief, warum kann ich nicht ein ganz normaler Ehemann sein, der mit seiner Frau zusammen nach Kopenhagen fährt, sich dort mit ihr zusammen die Stadt ansieht und es sich zusammen mit ihr gutgehen läßt? Er versuchte sich vorzustellen, daß Ellen nicht schlief, sondern sich mit einem dänischen Supermann im Bett herumtrieb, der gerade nach allen Regeln der Kunst mit ihr gevögelt hatte, und nun kamen sie gesprächsweise auf ihre jeweiligen Ehen zu sprechen. Ellen wußte, daß sie sich keine Vorwürfe zu machen brauchte. Dabei würde sie sich vermutlich bei dem Dänen nicht über Viktor beklagen. Das war kein Stil: in fremden Betten über die Ehe zu jammern. Das hatte Viktor auch nie getan. Das würde auch Ellen nicht tun. Auch sie neigte zur Solidarität.
    Ellen hatte so viele gute Gründe, es ihm heimzuzahlen, daß Viktor sich ein Gefühl wie Eifersucht gar nicht erlauben konnte. Eine Art Gerechtigkeitsautomatik verhinderte den Urzorn, der für so viele archaische Bluttaten verantwortlich ist. Viktor würde einem Nebenbuhler immer und überall mit ausgesuchtester Höflichkeit begegnen, sorgfältig bemüht, daß ihm eben diese Höflichkeit nicht als Ironie ausgelegt werden könnte. Was waren das für Tiere, die ihren Rivalen Böses taten oder auch nur tun wollten? Wie konnte man gegen einen Mann etwas haben oder gar seinen Arm erheben, der sich freundlich und verliebt und vermutlich großzügig und geistvoll seiner Frau genähert und sie vielleicht zu einem erotischen Abenteuer überredet hatte, das jedem Menschen zustand und zu wünschen war? Ein solcher Mann war ein Glücksbringer, der Komplimente des Gatten seiner Liebsten verdient hatte und nicht rachsüchtige Wutanfälle.
    Es war nicht anzunehmen, daß Ellen etwas mit anderen Männern hatte, leider. So einfach kam Viktor nicht zu seiner Entlastung. Auch Erstfrau Ella hatte nichts mit anderen Männern anfangen wollen. Zum Glück gab es Ira. Ira hatte während ihrer Ehe ein paar Mal etwas mit anderen Männern gehabt. Sie hatte es Viktor gestanden, mit einem Gesicht, als hätte sie eine Untat begangen. »Reg dich nicht auf«, hatte er freundlich gesagt, und dann hatte sie ihn umarmt, so wild und gleichzeitig störrisch wie noch nie. Erst bei ihren nächsten Sündenfällen begriff er, daß sie seine kultivierte Reaktion nicht haben wollte. Je

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