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Der Liebestempel

Der Liebestempel

Titel: Der Liebestempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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unterhalten,
Lieutenant.«
    Das konnte ich nicht
bestreiten. »Wie steht’s mit Ihnen, Mr. Annan?« Ich blickte auf den blauen arbiter elegantiarum . »Angeln Sie auch?«
    »Wenn ich Zeit habe, ja«, sagte
er leichthin. »Mir gefällt es draußen auf dem See, dort ist alles so ruhig und
friedlich. Manchmal komme ich hier heraus, um zu angeln, und manchmal, so wie
jetzt, nur auf einen Drink und einen kleinen Schwatz mit Leon.« Er zog sein
Brusttaschentuch heraus, nahm die dunkle Brille ab und begann, sie gemächlich
zu polieren. »Ich habe gern Stille, aber keine Grabesstille, wenn Sie mich
recht verstehen.«
    »Klar!« Ich nickte. »Seit wann
kennen Sie Leon?«
    »Seit drei oder vielleicht vier
Jahren.«
    »Haben Sie je Magnuson kennengelernt?«
    »Ich hatte nie das zweifelhafte
Vergnügen, Lieutenant.« Er sah mich zum erstenmal direkt an, und es versetzte mir einen leichten Stich, als ich feststellte, daß
seine blaßblauen Augen völlig leblos wirkten — wie
die eines toten Fisches, fünf Minuten nachdem man ihn vom Angelhaken genommen
hat. Gleich darauf setzte er die dunkle Brille wieder auf und lächelte mich an.
    »Vielleicht ist es ein Glück,
daß ich ihn nie kennengelernt habe«, sagte er ruhig. »Nach allem, was Leon
erzählt, wären wir niemals miteinander ausgekommen. Wer weiß? Vielleicht wäre
dann am Ende ich derjenige gewesen, der ihn in den See geworfen hätte.« Sein
Lächeln wurde breiter. »Aber so war ich’s natürlich nicht.«

SECHSTES KAPITEL
     
    D ie Sonne näherte sich schnell
dem Horizont, als ich meinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte und dem Innenhof
zustrebte. Diesmal war das schmiedeeiserne Tor unverschlossen und die
Marmorvenus genoß ihr Baderitual, während ich auf das andere, in die Hausmauer
eingelassene schmiedeeiserne Tor zuging. Die massive Kupferglocke läutete, und
gleich darauf tauchte aus dem Dunkel auf der anderen Seite des Tors eine
Gestalt auf. Als sie näher kam, sah ich, daß sie ein langes schwarzes Gewand
trug, das vom Hals bis zu den Knöcheln reichte, und das lange blonde Haar
wallte beinahe bis zur Taille herab.
    »Ich bin Al«, sagte ich, »und
brauche dringend Liebe.«
    »Ich bin Justine «,
sagte sie kalt. »Und gestern nacht hätten Sie mich
beinahe hinters Licht führen können.«
    »Schließlich war nicht ich es,
der in sein silbernes Gewand stieg und ins Weltall abhaute«, erinnerte ich sie.
    »Das ist jetzt alles passé.« Sie
zuckte ungeduldig die Schultern. »Wollen Sie etwas?«
    »Die persönliche Zehncentführung , die Sie mir versprochen haben. Entsinnen
Sie sich?«
    Sie rümpfte die Nase. »Jetzt
ist es schon beinahe sieben Uhr, und wir haben um acht eine Zusammenkunft. Hat
das nicht bis irgendwann später Zeit?«
    »Sie wissen doch, wie es ist.«
Ich lächelte boshaft. »Wir Polizeibeamte sind ein mißtrauisches Volk. Wenn Sie jetzt sagen, ich soll verduften, dann kann’s passieren, daß ich
wegstürze und mir einen Haussuchungsbefehl beschaffe. Und dann platze ich
mitten in Ihre Zusammenkunft hinein und trample über alle hinweg.«
    »Dabei würde sich Rafe ein gigantisches Trauma zuziehen.« Sie öffnete zögernd
das Tor. »Also bleibt mir nichts anderes übrig, als den Lieutenant mit einem
breiten Willkommenslächeln zu begrüßen, obwohl ich Ihnen lieber die Kehle
durchschneiden würde — langsam — und mit einem stumpfen Messer.«
    Ich folgte ihr den trübe
beleuchteten Korridor entlang in den klösterlichen Warteraum. Sie schaltete das
Licht ein, und als die Düsternis verschwand, entdeckte ich ein paar Dinge, die
ich vorher nicht hatte sehen können — zum Beispiel, daß Justine ein scharlachrotes Band im Haar trug und daß das schwarze Gewand, das sie wie
ein Zelt umgab, durchsichtig war. Vielleicht hatte sie darunter etwas an,
vielleicht auch nicht. Ich hätte das nicht mit Sicherheit feststellen können,
ohne ihr das Ding vom Leib zu reißen, und das schien mir im Augenblick keine
gute Idee. Sie mußte meinen funkelnden Blick gesehen haben, denn sie trat einen
Schritt zurück und hob warnend die Hand.
    »Immer sachte! Diese Aufmachung
hier ist strikt symbolisch.«
    »Und Sie haben solche
wundervollen Symbole«, seufzte ich.
    »Schwarz«, sie fingerte an dem
Gewand herum, »ist das Symbol des Todes. Der weiße Körper darunter ist das
Leben, und das scharlachrote Band ist die Sünde. Nehmen Sie alles zusammen —
was haben Sie dann?«
    »Eine herrliche Weise zu
sterben?« sagte ich.
    »Sagen Sie das bloß nicht vor Rafe , sonst

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