Der Liebestempel
schlägt
vielleicht das Herz eines mordlustigen Irren?«
»Ich habe jetzt gleich eine
Zusammenkunft.« Er blickte auf seine flache Platinarmbanduhr, die auf einem
dicken Platinarmband befestigt war. »Ich beantworte gern Ihre Fragen,
Lieutenant, aber für wilde Mutmaßungen habe ich keine Zeit.«
»Ich hätte gern eine Liste
Ihrer Mitglieder«, sagte ich. »Ihre Namen und Adressen.«
»Jetzt?«
»Sobald es Ihnen möglich ist.«
»Kann ich Sie Ihnen morgen
zukommen lassen?«
»Gut.« Ich nickte. »Ich lasse
sie von jemandem hier abholen — sagen wir morgen vormittag um elf?«
»Das ist mir recht. Sonst noch
etwas, Lieutenant?«
»Paul Bryant sagt, er sei mit
Ihnen befreundet, aber er bestreitet, daß er Ihnen Mrs. Magnuson vorgestellt hat.«
»Ich kann mich getäuscht haben.
Wenn Paul sagt, er sei es nicht gewesen, dann stimmt das sicher. Es muß also
ein anderer gewesen sein. Spielt das eine Rolle, Lieutenant?«
»Das weiß ich noch nicht
sicher«, brummte ich.
»Ist das alles?« In seiner
Stimme lag offene Verachtung.
»Hören Sie, Kendall«, sagte ich
in beschwichtigendem Ton, »Sie haben einen einträglichen kleinen Betrieb hier,
und vielleicht verläuft sogar alles im Bahmen der
Vorschriften. Aber jetzt sind Sie — durch Mrs. Magnuson — in einen Mordfall verwickelt, und wenn ich
diesen gesamten Tempel auseinandernehmen muß, um an den Mörder zu gelangen, dann
werde ich das tun. Also treten Sie ein bißchen leise und behalten Sie schön den
Hut in der Hand.«
Er stand mit einer einzigen
schnellen Bewegung auf. Die rötlichbraune Siouxfrisur sträubte sich vor Wut, seine Lippen waren bösartig zurückgezogen, so daß die
blitzenden weißen Zähne etwas Wölfisches bekamen.
»Wagen Sie es bloß, mich hier
mit Ihren niederträchtigen Unterstellungen einschüchtern zu wollen!« sagte er
mit erstickter Stimme. »Zufällig glaube ich an das, was ich hier tue. Die
Therapie der Liebe hilft den Menschen — und ich kann Ihnen über dreißig Leute
beibringen, die Ihnen das jederzeit bezeugen. Nun machen Sie, daß Sie hier
wegkommen, Wheeler, bevor ich Sie hinauswerfe!«
Ich betrachtete seine breiten
Schultern und die kräftige Brust und kam zu dem Schluß, daß er tatsächlich in
der Lage war, das zu tun. Für einen Polizeibeamten springt nichts dabei heraus,
den Helden zu spielen — jedenfalls nicht, solange man ausreichend lange leben
möchte, um seine Pension zu beziehen — und so wich ich im Eiltempo zur Tür
zurück. Wenn Kendall derjenige gewesen war, der mich in der Nacht zuvor
niedergeschlagen hatte, so hatte ich meiner Ansicht nach Glück gehabt, daß mein
Kopf noch auf den Schultern saß.
Es war Viertel nach acht, als
ich in meine Wohnung heimkehrte, und ich hatte Hunger. Wenn man sich nicht dazu
erzieht, das Alleinessen zu einer Kunst zu gestalten, hört man bald auf,
überhaupt zu essen. Und so kam Küchenchef Wheeler zu dem Schluß, daß er
ausreichend Zeit hatte, sich einem seiner kulinarischen Meisterwerke
zuzuwenden. Ich entschied mich schließlich für Ravioli flambés .
Das gehört zu den kniffligen Gerichten, bei denen man eine Büchse Ravioli
öffnet und, wenn sie heiß sind, in einem anderen Topf Scotch anwärmt. Dann,
wenn man essen möchte, schüttet man die Ravioli auf einen Teller, hält ein
brennendes Zündholz an den warmen Scotch und gießt den gesamten hochaufflammenden
Alkohol darüber. Cognac brennt besser, aber wer, zum Teufel, mag schon mit
Cognac imprägnierte Ravioli essen? Zum Nachtisch schluckte ich ein paar Alka-Seltzer , wusch das Geschirr ab und bereitete die
Wohnung für meinen Besuch vor. Als ich damit fertig war, war es erst kurz nach
neun, und zwei lange einsame Stunden dehnten sich düster vor mir. Sie dehnten
sich schließlich doch nicht allzu lange, denn ich schlief auf der Couch ein,
und als ich aufwachte, war es zwanzig vor elf. Ich hatte gerade noch Zeit, mich
zu duschen, wieder anzuziehen und zwei Drinks einzugießen, bevor es an der
Wohnungstür klingelte.
Als ich diesmal öffnete, blendete
mich kein silberner Blitz, sondern nur eine schimmernde Vision, die sich
schließlich als Spitzenkleid mit winzigen in Wolle und Seide eingenähten
Hagelkörnern entpuppte.
»Okay«, stöhnte ich. »Sie haben
also den Planeten gewechselt?«
»Es handelt sich nur um eine
andere Facette meines Wesens«, sagte sie selbstzufrieden. »Vielleicht gewöhnen
Sie sich nie daran.«
Ihr Haar war aus der Stirn
zurückgestrichen und zu dem bewußten riesigen Knoten im
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