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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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anderes Bild als an dem Morgen, als ich mich mit Tom zum ersten Mal zum Schwimmunterricht getroffen hatte. Jetzt war es hier unendlich laut: das Klimpern von Münzen vonder Spielhalle, Pistolenschüsse vom Schießstand, Gelächter und Musik von Chatfield’s Bar, Schreie von der großen Rutschbahn. Ich sah Toms Gesicht wieder vor mir, oben auf der Treppe, blass und kindlich. Mir wurde bewusst, dass es das einzige Mal gewesen war, wo er mir gegenüber eine Schwäche gezeigt hatte. Ich sah Julia an, die ihre Augen gegen die Sonne schützte und über das Durcheinander unten am Strand lachte, und hatte plötzlich das Bedürfnis, ihr alles zu erzählen. Mein Mann hat Höhenangst. Und er ist sexuell anormal. Ich dachte, ich könnte ihr so etwas sagen, ohne dass sie schockiert oder angewidert wäre. Ich könnte so etwas sogar sagen, ohne fürchten zu müssen, damit unsere Freundschaft zu beenden.
    »Los, lass uns mit den Füßen im Wasser plantschen«, sagte Julia und hängte sich ihre mit Flugblättern gefüllte Tasche wieder über die Schulter. »Meine Füße sind so heiß, als könnten sie platzen.«
    Ich ließ das helle Licht alles, was ich sah, verschwommen machen und folgte ihr zu den Kieselsteinen. Wir stolperten zusammen zum Rand des Wassers, fassten uns gegenseitig an den Ellbogen an, um uns Halt zu geben. Julia öffnete ihre Sandalen und ich blickte hinaus auf die hart glitzernden Wellen.
    Ich wollte weit ins tiefe Wasser waten, untergehen und mich wieder vom Meer umfangen lassen. Es würde den Lärm vom Strand wegspülen, meine glühend heiße Haut mit seiner Kälte betäuben und meine Gedanken aufhalten, bis sie ganz aufhörten. Ich schleuderte die Schuhe von mir und griff, ohne darüber nachzudenken, unter meinen Rock, um meine Strümpfe loszumachen. Julia watete schon im Wasser. Sie drehte sich nach mir um und pfiff. »Du Luder! Was wenn eines der Schulkinder dich sieht?«
    Aber ich beachtete sie nicht. Ich konzentrierte mich auf das Glitzern des Meeres. Die Kakophonie vom Strand entfernte sich, als ich ins Wasser ging. Ich stolperte nicht über die Steine oder zögerte wie mit Tom. Ich ging einfach hinein, spürte kaum denKälteschock, als das Meer mich berührte. Mein Rocksaum saugte das Wasser auf, bis ich bis zur Taille drin war. Und ich ging noch weiter, den Blick unverwandt auf den Horizont gerichtet.
    »Marion?« Julias Stimme klang weit entfernt. Als ich weiterging, dachte ich daran, dass das Meer mich auf die eine oder andere Art umwerfen oder mich ganz hinunterziehen würde. Die Strömung spielte um meine Beine, sodass ich vor und zurück schaukelte. Aber diesmal erschien es mir nicht wie eine Bedrohung. Es schien wie ein Spiel. Ich gab nach und ließ mich von den Wellen wiegen. Ich dachte daran, dass Toms Körper an jenem Tag so elastisch gewesen war. Er hatte sich mit dem Meer bewegt. Vielleicht konnte ich das auch.
    Ich hob die Füße vom Boden und dachte: Er hat mir das Schwimmen beigebracht, aber was hat es genützt? Es wäre besser gewesen, wenn ich niemals ins Wasser gegangen wäre.
    Wieder hörte ich Julias Stimme. »Marion! Was machst du? Marion! Komm zurück!«
    Meine Füße fanden den Boden und ich sah sie im flachen Wasser stehen, eine Hand an der Stirn. »Komm zurück«, rief sie, nervös lachend. »Du machst mir Angst.« Sie streckte eine Hand aus. Ich ging darauf zu, mein nasser Rock klebte an meinen Oberschenkeln, Wasser tropfte von meinen Fingern, als sie ihre erreichten. Sobald sie meine Hand ergriffen hatte, zog sie mich kräftig zu sich, schloss mich in die Arme. Ihr Atem roch nach süßem Tee, als sie sagte: »Wenn du schwimmen willst, brauchst du einen Badeanzug. Sonst kommt der Rettungsschwimmer.«
    Ich versuchte zu lächeln, konnte aber nicht. Keuchend und zitternd zugleich legte ich meinen Kopf an ihre Schulter. »Es ist alles gut«, sagte Julia. »Ich hab dich.«

 
     
     
     
     
    DU SCHICKTEST EINE POSTKARTE . Das Bild vorne war nicht eine der klassischen Ansichten vom Markusplatz oder der Rialtobrücke. Es war kein Kanal oder Gondoliere zu sehen. Stattdessen schicktest du mir ein Foto einer Szene aus Carpaccios Gemäldezyklus zur Legende der Heiligen Ursula: »Die Ankunft der englischen Gesandten«. Die Karte zeigte zwei junge Männer in tomatenroten Strumpfhosen und Jacken mit Fellkragen, die an einem Geländer lehnen. Ihre üppigen Haare locken sich bis auf die Schultern. Einer von ihnen hält einen Wanderfalken auf dem Arm. Ich hatte den Eindruck, dass die beiden

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