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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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treue Ehefrau auf den Tisch gestellt hatte.
    Du siehst, Patrick, dass ich damals in jeder Hinsicht sehr verwirrt war. Das Einzige, das ich wusste, war, dass ich mehr wie Julia sein wollte. Wir aßen zusammen Lunch in der Schule und sie erzählte mir von dem Marsch, an dem sie teilgenommen hatte. Ihre Wangen waren gerötet, als sie erzählte, dass ganz verschiedene Menschen – Christen, Beatniks, Studenten, Lehrer, Fabrikarbeiter, Anarchisten – zusammengekommen waren, um sich Gehör zu verschaffen. An dem kalten Frühlingstag bildeten sie Reihen und gingen zusammen von London zum Atomforschungszentrum in Aldermaston. Sie erwähnte eine Freundin, Rita, die mit ihr gegangen war. Trotz des schlechten Wetters waren sie den ganzen Weg gegangen, obwohl sie gegen Ende gewünscht hatten, sie wären in einem Pub. Sie lachte und sagte: »Einige von ihnen sind manchmal ein bisschen – du weißt schon – verbissen. Aber es ist eine wunderbare Sache. Wenn man marschiert, hat man das Gefühl etwas zu tun. Alle setzen sich gemeinsam für etwas ein.«
    Das hörte sich spannend an. Das hörte sich an, wie eine ganz andere Welt. Ich konnte es nicht abwarten, sie zu betreten.
    Samstag kam und ich bestand darauf, dass Tom sich doch mit dir traf. Ich sagte, er sollte dich nicht enttäuschen und er könnte es nächstes Wochenende mit mir nachholen. Er sah verwirrt aus, ging aber trotzdem. An der Tür küsste er mich auf die Wange. »Danke, Marion«, sagte er, »dass du für alles Verständnis hast.« Er beobachtete mein Gesicht, offenbar immer noch unsicher, ob er meine scheinbare Großzügigkeit ausnutzen sollte oder nicht. Ich winkte ihn mit einem Lächeln hinaus.
    Nachdem er weg war, ging ich nach oben und versuchte, etwas Passendes zum Anziehen zu finden, das ich auf einem Treffen der örtlichen Aktionsgruppe für atomare Abrüstung tragen konnte. Es war ein warmer Julitag, aber mein bestes Sommerkleid – hellorange mit cremefarbenem geometrischem Muster – wäre absolut unpassend gewesen, das wusste ich. Nichts in meinem Schrank schien seriös genug für den Anlass. In der Zeitung hatte ich Fotos vom Aldermaston Marsch gesehen und wusste, dass Julia nur halb im Scherz davon gesprochen hatte, dass ich einen Fair-Isle-Pullover und eine Pfeife bräuchte. Brille, langer Schal und Dufflecoat waren offenbar die Uniform der Marschierer, männlicher wie weiblicher. Ich sah die pastellfarbenen und geblümten Sachen in meinem Schrank durch und war mir selbst zuwider. Warum hatte ich nicht wenigstens eine Hose? Am Ende entschied ich mich für etwas, das ich häufig in der Schule trug: einen schlichten marineblauen Rock und eine hellrote Bluse. Ich nahm meine cremefarbene Strickjacke mit den großen blauen Knöpfen und machte mich auf den Weg, um Julia zu treffen.
    Als ich beim Gemeindehaus der Quäker ankam, wusste ich, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte, nicht dazu zu passen. Julia machte sich deswegen offenbar keine Sorgen: Ihr jadegrünes Kleid und die orangefarbenen Perlen waren leicht in der Menge zu entdecken. Ich schreibe Menge, aber es können nicht mehr als dreißig Leute im Vortragsraum des Gemeindehauses gewesensein. Der Raum hatte weiße Wände mit hohen Fenstern an einem Ende, durch die das Sonnenlicht drang und den ganzen Raum mit Wärme füllte. Im hinteren Teil des Raumes stand ein Tapeziertisch mit Tassen und einer Kanne Tee, die auf ein Papiertischtuch gestellt waren. Vorne war ein großes Transparent mit der Aufschrift »Kampagne für atomare Abrüstung Brighton«. Als ich ankam, stand gerade ein Mann mit kurzem Bart und einem frischen weißen Hemd, die Ärmel ordentlich bis zu den Ellbogen hochgekrempelt, auf, um zu sprechen. Julia entdeckte mich und bedeutete mir, mich neben sie auf die Bank zu setzen. Ich schlich so leise, wie ich konnte, zu ihr hinüber und war froh, dass ich nicht meine Schuhe mit dem kleinen Absatz angezogen hatte. Sie grinste, tätschelte meinen Arm und wandte sich dann mit ernstem Gesicht nach vorn.
    Der Raum sah nicht wie ein religiöser Ort aus, aber es herrschte ein Gefühl stiller Ehrfurcht an jenem Samstagnachmittag. Der Sprecher hatte kein Podium, um sich darauf zu stellen, geschweige denn eine Kanzel, von der er predigen konnte, aber der Sonnenschein, der durch die Fenster fiel, beleuchtete ihn dramatisch von hinten und alle wurden still, noch bevor er seine Rede begann.
    »Freunde. Danke, dass ihr alle heute gekommen seid. Ich freue mich besonders, einige neue Gesichter zu

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