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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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Schultor, der Himmel noch mehr gelb als blau. Über dem Glockenturm rissen gerade die Wolken auf, Ringeltauben gurrten ihr schreckliches Sehnsuchtslied. »Rugúgu gugu.« Und da war Tom, stand an der Mauer, war zu mir zurückgekehrt.
    Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon einige Wochen unterrichtet und mich allmählich daran gewöhnt, dem Schultag entgegenzutreten. Ich bekam keine weichen Knie mehr und mein Atem war kontrollierter. Aber bei Toms Anblick versagte mir vollkommen die Stimme.
    »Marion?«
    So oft hatte ich mir seinen unerschütterlichen Gesichtsausdruck vorgestellt, sein offenes Lächeln, die Festigkeit seiner entblößten Unterarme, und hier war er, stand vor mir in Queen’s Park Terrace, sah kleiner aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, aber reifer; nach fast drei Jahren Abwesenheit war sein Gesicht schmaler geworden und er stand aufrechter.
    »Ich hab mich gefragt, ob ich dich treffen würde. Sylvie hat mir erzählt, dass du angefangen hast, hier zu unterrichten.«
    Alice Rumbold drängte sich an uns vorbei, »Guten Morgen, Miss Taylor« herunterleiernd, und ich versuchte mich zusammenzunehmen.
    »Nicht laufen, Alice.« Mein Blick ruhte noch auf ihren Schultern, als ich Tom fragte: »Was machst du hier oben?«
    Er schenkte mir den Anflug eines Lächelns. »Ich bin gerade … hier in Queen’s Park spazieren gegangen und dachte, ich seh mir mal die alte Schule an.«
    Selbst damals habe ich ihm das nicht ganz geglaubt. War er tatsächlich hier heraufgekommen, nur um mich zu sehen? Hatte er mich ausfindig gemacht? Bei dem Gedanken musste ich Luft holen. Wir schwiegen beide eine Weile, bevor ich herausbrachte: »Du bist jetzt Polizist, oder?«
    »Stimmt«, sagte er. »Constable Burgess zu deinen Diensten.« Er lachte, aber ich merkte, dass er stolz war. »Natürlich bin ich noch in der Probezeit«, fügte er hinzu.
    Er betrachtete mich von oben bis unten, ziemlich unverschämt, nahm sich dabei Zeit. Meine Hände umklammerten den Korb mit den Büchern, während ich auf das Urteil wartete, das sich in seinem Gesicht abzeichnen würde. Aber als sich unsere Blicke wieder begegneten, war sein Gesichtsausdruck unverändert: ruhig, ein bisschen verschlossen.
    »Es ist lange her. Vieles hat sich verändert«, sagte ich und hoffte, dadurch ein Kompliment aus ihm herauszulocken, egal, wie unaufrichtig.
    »Wirklich?« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Du auf jeden Fall.« Dann brüsk, bevor ich zu stark erröten konnte: »Also, ich lass dich jetzt mal besser weitermachen.« Es kommt mir jetzt so vor, als hätte er auf seine Uhr gesehen, aber das stimmt vielleicht nicht.
    Ich hatte die Wahl, Patrick. Ich konnte mich schnell verabschieden und den Rest des Tages bedauern, dass wir nicht mehrZeit gehabt hatten. Oder. Oder ich konnte etwas riskieren. Ich konnte etwas Ungewöhnliches zu ihm sagen. Er war zurückgekommen und er stand leibhaftig vor mir und ich konnte die Chance nutzen. Ich war jetzt älter, sagte ich mir; ich war zwanzig, eine Rothaarige, deren Haar zu ordentlichen Locken frisiert war. Ich trug Lippenstift (hellrosa, aber immerhin Lippenstift), und ein blaues Kleid mit ausgestelltem Rock. Es war ein warmer Septembertag, ein traumhafter Tag, das Licht war weich und die Sonne schien noch, als wäre Sommer. »Rugúgu gugu«, gurrten die Ringeltauben. Ich konnte es mir leisten, ein Risiko einzugehen.
    Also sagte ich: »Wann gibst du mir Schwimmunterricht?«
    Er lachte sein lautes Tom-Lachen. Es übertönte alles um uns herum – die Schreie der Kinder auf dem Schulhof, die Rufe der Tauben. Und er schlug mir zweimal auf den Rücken. Beim ersten Schlag fiel ich beinahe vornüber auf ihn – die Luft um mich wurde sehr warm und ich roch Vitalis –, aber beim zweiten Mal fand ich mein Gleichgewicht wieder und lachte zurück.
    »Das habe ich ganz vergessen«, sagte er. »Kannst du immer noch nicht schwimmen?«
    »Ich habe darauf gewartet, dass du es mir beibringst.«
    Er lachte noch einmal, diesmal etwas unsicher. »Ich wette,
du
bist eine gute Lehrerin.«
    »Ja. Und ich muss schwimmen können. Ich muss die Kinder beaufsichtigen, im Schwimmbecken.«
    Das war eine ausgemachte Lüge und ich vermied es, Tom direkt anzusehen, als ich es sagte.
    Er schlug mir noch einmal auf den Rücken, diesmal ganz leicht. Das tat er am Anfang oft und damals erregte es mich, seine warme Hand zwischen meinen Schulterblättern zu spüren. Heute frage ich mich, ob es nicht Toms Art war, mich auf Abstand zu halten.
    »Du meinst es

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