Der Liebhaber meines Mannes
zurücktragen, von wo auch immer er gekommen war. Ich musste über mich selbst kichern, und erst als ich Tom sah – den realen, lebendigen, an Land wandelnden Tom –, hörte ich auf. Er trug ein schwarzes T-Shirt und hatte ein verblichenes braunes Handtuch über die Schultern geworfen. Als er mich sah, winkte er kurz und zeigte zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. »Im Club gibt es einen Umkleideraum«, rief er. »Hier lang. Unter den Arkaden.« Und bevor ich antworten konnte, ging er weg in die Richtung, aus der er gekommen war.
Ich blieb bei der Milchbar stehen und stellte mir noch immer Neptun-Tom vor, wie er triefend aus dem Wasser kam und Salzwasser und Meeresgetier am Ufer hinterließ aus einer tiefen, dunklen Unterwelt.
Ohne sich umzudrehen, rief er: »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit«, und ich folgte ihm, rannte hinterher und sagte nichts, bis wir eine Stahltür in den Arkaden erreichten.
Da drehte er sich um und sah mich an. »Du hast doch eine Kappe mitgebracht, oder?«
»Klar.«
Er schloss die Tür auf und stieß sie auf. »Komm dann runter, wenn du fertig bist. Ich geh rein.«
Ich ging hinein. Der Raum war wie eine Höhle, feucht und kalkig riechend, Farbe blätterte von der Decke und rostige Leitungen liefen an den Wänden entlang. Der Fußboden war noch nass, die Luft beklemmend und mich schauderte. Ich hängte meine Strickjacke an einen Haken an der Rückwand des Raumes und knöpfte mein Kleid auf. Ich hatte den roten Badeanzug, den ich vor Jahren an jenem Tag im Freibad getragen hatte, abgelegt und mir einen hellgrünen mit Wirbelmuster bei Peter Robinson gekauft. Als ich ihn im Laden anprobiert hatte, war ich mit der Wirkung ganz zufrieden gewesen: Die Cups waren aus etwas geformt, das sich wie Gummi anfühlte, und an der Taille war ein kurzer Faltenrock angesetzt. Aber hier in dieser Höhle von Umkleideraum gab es keinen Spiegel an der Wand, nur eine Liste der Wettschwimmen mit Namen und Datumsangaben (ich las, dass Tom das letzte gewonnen hatte), deshalb ging ich hinaus, nachdem ich meine geblümte Badekappe aufgesetzt und mein Kleid auf der Bank zusammengelegt hatte. Mein Handtuch hatte ich umgebunden.
Die Sonne stand jetzt höher und das Meer glitzerte schwach. Ich blinzelte und sah, wie Toms Kopf sich in den Wellen auf und ab bewegte. Ich beobachtete, wie er aus dem Wasser auftauchte. Im flachen Wasser blieb er stehen, strich sich die Haare zurück und rieb sich mit den Händen die Oberschenkel, als ob er versuchte, wieder etwas Wärme in seinen Körper zu bekommen.
Es gelang mir, in den Sandalen halb den Strand hinunterzugehen, aber ich fiel dabei fast hin und musste das Handtuch festhalten, damit es nicht auf den Boden fiel. Das Knirschen und Knacken der Kieselsteine überzeugte mich, dass das alles wirklich war, dass das tatsächlich mit mir geschah: Ich näherte mich dem Wasser, näherte mich Tom, der nichts als blau gestreifte Shorts trug.
Er kam herauf, um mich zu begrüßen, und fasste mich am Ellbogen, damit ich auf den Steinen Halt hatte.
»Hübsche Kappe«, sagte er mit einem Anflug von Grinsen und dann mit kurzem Blick auf meine Sandalen: »Die ziehst du aus.«
»Ich weiß.« Ich versuchte, locker und heiter zu klingen, so wie er. Damals kam es selten vor, nicht wahr Patrick, dass Tom ernst klang, wie man es vielleicht nennen würde. Es war immer ein Gefälle in seiner Stimme, etwas Besonderes, fast eine Musikalität (kein Zweifel, dass es für dich so geklungen hat), als ob man nichts richtig glauben konnte, was er sagte. Mit den Jahren hat seine Stimme an Musikalität verloren, ich glaube, zum Teil als Reaktion auf das, was dir geschehen ist. Aber selbst jetzt kommt es gelegentlich vor, dass sich hinter seinen Worten ein Lachen verbirgt, das jeden Moment hervorbrechen kann.
»Okay. Wir gehen zusammen rein. Denk nicht zu viel darüber nach. Halt dich an mir fest. Wir gewöhnen dich erst mal nur ans Wasser. Es ist nicht zu kalt heute, eigentlich ziemlich warm, um diese Jahreszeit ist es immer am wärmsten, und es ist sehr ruhig, also es sieht alles gut aus. Kein Grund zur Sorge. Außerdem ist es hier ganz flach, deshalb müssen wir ein bisschen hinauswaten. Fertig?«
So viel hatte ich ihn noch nie sagen hören, und ich war ein bisschen überrascht von seiner forschen professionellen Art. Er benutzte denselben sanften Ton wie ich, wenn ich versuchte, meine Schüler zu überreden, den nächsten Satz in einem Buch ohne Stocken zu lesen. Mir wurde klar, dass
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