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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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ernst.«
    »Ja.«
    Er griff sich mit einer Hand in die Haare – sie waren jetzt nach dem Wehrdienst kürzer, nicht mehr so voll, gebändigter, aber immer noch mit der Tolle, die ihm jeden Moment in die Stirn zu fallen drohte – und blickte die Straße hinunter, als suchte er nach einer Antwort.
    »Macht es dir was aus, im Meer anzufangen? Es wird nicht gerade für Anfänger empfohlen, aber es ist zurzeit so warm, es wäre schade, es nicht zu tun; und das Salz erleichtert den Auftrieb …«
    »Also im Meer. Wann?«
    Noch einmal sah er mich von oben bis unten an und diesmal wurde ich nicht rot.
    »Samstagmorgen um acht, einverstanden? Wir treffen uns zwischen den Piers. Vor der Milchbar.«
    Ich nickte.
    Er lachte noch einmal. »Bring deinen Badeanzug mit«, sagte er, als er sich auf den Weg die Straße hinunter machte.
    Am Samstagmorgen stand ich früh auf. Ich würde dir gerne erzählen, dass ich die ganze Nacht davon geträumt hatte, mit Tom in den Wellen zu schwimmen, aber das wäre gelogen. Ich erinnere mich nicht daran, was ich träumte, aber es spielte sich wahrscheinlich in der Schule ab und würde davon gehandelt haben, dass ich vergessen hatte, was ich unterrichten sollte, oder dass ich im Klassenschrank eingesperrt war und nicht hinauskonnte und miterlebte, was für ein Chaos die Kinder anrichteten. Alle meine Träume schienen zu der Zeit in diese Richtung zu gehen, wie sehr ich mich auch danach sehnte, von Tom und mir im Meer zu träumen, wie wir uns mit den Wellen hinaustreiben und wieder an Land tragen ließen, an Land getragen wurden und wieder hinaustrieben.
    Also: Ich stand früh auf, nachdem ich von Pulten und Kreide und Milchtüten, die oben von einem Strohhalm durchbohrt waren,geträumt hatte. Von meinem Fenster aus sah der Morgen nicht vielversprechend aus. Es war ein milder September gewesen, aber jetzt ging der Monat fast zu Ende, und als ich am Victoria Park vorbeiging, war das Gras ganz nass. Ich war natürlich viel zu früh; wahrscheinlich war es noch nicht einmal sieben, was zu dem köstlichen Gefühl beitrug, etwas Verbotenes zu tun. Als ich gegangen war, hatten meine Eltern noch geschlafen und ich hatte niemandem gesagt, wohin ich ging. Ich war aus dem Haus, weg von meiner Familie, weg von der Schule, und der ganze Tag lag vor mir.
    Damit die Zeit verging (ich musste mindestens noch dreißig Minuten totschlagen, bevor die ersehnte Zeit, acht Uhr, gekommen war), schlenderte ich am Wasser entlang. Ich ging vom Palace zum West Pier und an dem Morgen erschien mir das Grand Hotel in seiner ganzen weißen Hochzeitstortenpracht, mit dem schon mit Hut und Handschuhen draußen strammstehenden Portier, unglaublich normal. Ich hatte nicht das schmerzliche Gefühl wie sonst, wenn ich am Grand vorbeiging – die schmerzliche Sehnsucht nach leisen Räumen mit Palmenkübeln, knöcheltiefen Teppichen und von Damen mit Perlenketten, die diskret nach dem Kellner klingelten (denn so stellte ich es mir dort vor, vermutlich angeregt durch Filme mit Sylvia Syms) – nein, das Grand konnte dort stehen und vor Geld und Annehmlichkeiten strotzen. Es bedeutete mir nichts. Ich war froh, auf dem Weg zur Milchbar zwischen den Piers zu sein. Hatte Tom mich nicht von oben bis unten angesehen, hatte er mich nicht mit den Augen verschlungen? Schien er jetzt nicht wie durch ein Wunder groß, größer als ich, und sah er nicht aus wie Kirk Douglas? (Oder war es Burt Lancaster? Der ausgeprägte Kiefer, der stählerne Blick. Ich konnte mich nie entscheiden, wem von beiden er ähnelte.) Ich war zu diesem Zeitpunkt weit davon entfernt zu sehen, was Sylvie mir auf der Bank im Preston Park über Tom gesagt hatte. Ich war einejunge Frau, die einen steifen, spitzen BH trug und eine gelb geblümte Badekappe in ihrem Korb, bereit, ihren kürzlich zurückgekehrten Liebsten heimlich frühmorgens zum Schwimmen zu treffen.
    Das dachte ich, als ich neben dem quietschenden Schild der Milchbar stand und aufs Meer blickte. Ich stellte mich selbst ein bisschen auf die Probe: Würde ich es schaffen, nicht in die Richtung des Palace Piers zu blicken, von wo er kommen würde? Ich richtete die Augen aufs Wasser und stellte mir vor, dass er wie Neptun aus dem Meer steigen würde, behängt mit Blasentang, den Nacken voller Krebse, eine Krabbe in den Haaren. Er würde das Tier entfernen und zur Seite werfen, wenn er aus den Wellen kam. Er würde lautlos zu mir an den Strand kommen, trotz der Steine, und würde mich in die Arme nehmen und dorthin

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