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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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nicht, dass ich wütend war. Aber im selben Augenblick zog sich alles in mir zusammen und mein Atem ging schnell. Ich spürte, wie sich mein Arm anspannte und ich die Hand zusammenballte, und wusste, wenn ich den Mund nicht aufmachte und schrie, würde ich ihn schlagen, kräftig. Also stand ich wie angewurzelt auf dem Gehsteig und schrie: »Was ist verdammt noch mal los mit dir?«
    Tom starrte mich an, die Augen funkelnd vor Überraschung.
    »Können wir nicht was zusammen trinken wie ein normales Paar?«
    Er blickte die Straße rauf und runter. Ich wusste, Passanten starrten mich an und dachten:
Rothaarige. Sie sind alle gleich.
Aber es war schon zu spät, um sich darum zu kümmern.
    »Marion –«
    »Alles, was ich will, ist mit dir allein sein! Ist das zu viel verlangt? Alle anderen kriegen es hin!«
    Es folgte eine lange Pause. Meine Arme waren immer noch angespannt, aber meine Hand hatte sich entspannt. Ich wusste, ich sollte mich entschuldigen, aber ich fürchtete, wenn ich den Mund öffnete, käme ein Schluchzen heraus.
    Da trat Tom einen Schritt vor, nahm meinen Kopf in die Hände und küsste mich auf die Lippen.
    Rückblickend frage ich mich: Tat er es, um mich zum Schweigen zu bringen? Um jede weitere öffentliche Demütigung zu verhindern? Schließlich war er Polizist, wenn auch noch auf Probe, und wurde wahrscheinlich von den örtlichen Kriminellen überhaupt noch nicht ernst genommen. Aber damals kam mir dieser Gedanke nicht. Ich war so überrascht, Toms Lippen auf meinen zu spüren – so plötzlich, so drängend –, dass ich an nichts dachte. Und es war so eine Erleichterung, Patrick, eine Veränderung zu
spüren.
Zuzulassen, dass ich in einem Kuss dahinschmolz, wie man sagt. Und es war wie Dahinschmelzen. Loslassen. Sich in der Wahrnehmung eines anderen Körpers verlieren.
    Danach sprachen wir nicht viel. Wir schlenderten zusammen die Strandpromenade entlang, die Arme einander um die Taillen gelegt, dem Wind vom Meer trotzend. Ich konnte die weißen Schaumkronen der Wellen im Dunkeln sehen, wie sie anstiegen, rollten, sich auflösten. Jungen rasten auf Motorrädern den MarineDrive hinauf, für mich war es jedes Mal, wenn einer vorbeifuhr, ein Anlass, Tom noch fester zu halten.
    Ich hatte keine Ahnung, wohin wir gingen – ich verschwendete nicht einmal einen Gedanken daran, in welche Richtung. Es reichte, abends mit Tom spazieren zu gehen, vorbei an den umgedrehten Fischerbooten am Strand, weg vom fröhlichen Lärm des Piers Richtung Kemp Town. Tom küsste mich nicht noch einmal, aber hin und wieder legte ich beim Gehen den Kopf auf seine Schulter. In dem Moment war ich dir sehr dankbar, Patrick. Ich fragte mich sogar, ob du vielleicht absichtlich weggefahren warst, damit wir Zeit für uns hatten. »Geh mit Marion nett aus«, hattest du gesagt. »Und gib ihr um Himmels willen einen Kuss!«
    Ich hatte kaum bemerkt, wohin wir gingen, bis wir Chichester Terrace erreichten. Die breiten Gehsteige waren still und leer. Es hat sich dort nichts verändert, seitdem du weggezogen bist: Es ist immer noch eine ruhige, respektable Straße, in der die glänzenden Türen etwas vom Gehsteig zurückliegen, jede flankiert von einem Paar stabiler dorischer Säulen und mit einer Treppe aus schwarz und weiß gefliesten Stufen als Vorbote. In dieser Straße sind die Messingtürklopfer glänzend und einheitlich. Jede Fassade ist grundsätzlich weiß, hochglänzend verputzt, und jedes Geländer gerade und nicht angestoßen. In den hohen Fenstern spiegeln sich deutlich die Straßenlaternen und hin und wieder das Aufblitzen durchfahrender Autos. Chichester Terrace ist vornehm, jedoch zurückhaltend, ohne die Arroganz des Sussex Squares oder Lewes Crescent.
    Tom blieb stehen und griff sich in die Hosentasche.
    »Ist das nicht … «
    Er nickte. »Patricks Wohnung.« Er ließ ein Schlüsselbund vor meinen Augen baumeln, lachte kurz und sprang die Stufen zu deiner Haustür hinauf.
    Ich folgte ihm, meine Schuhe klapperten schön hell auf denFliesen. Die riesige Tür schleifte auf dem dicken Teppich, als Tom sie öffnete und ein sattgelb tapezierter Flur, mit goldenem Kleeblattmuster, und ein roter Teppich, der die ganze Treppe hinaufführte, zum Vorschein kamen.
    »Tom, was machen wir hier?«
    Tom legte einen Finger an die Lippen und winkte mich nach oben. Auf dem Treppenabsatz des zweiten Stocks blieb er stehen und fummelte an den Schlüsseln herum. Wir standen vor einer weißen Tür, daneben war ein kleines gold gerahmtes

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