Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
Vom Netzwerk:
sehe, wie er mir seine Schwäche gesteht, bin ich wieder von Liebe für ihn erfüllt. Egal, was er mir alles nicht erzählt hat; dass er den Mut hatte, das zuzugeben, war eine Heldentat.
    Natürlich wusste ich nicht, wie ich auf dieses Geständnis reagieren sollte, und ich glaube, wir standen lange Nase an Nase, als wären wir zusammengefroren.
    Schließlich setzte ich mich aufs Bett, schlug die Beine übereinander und sagte: »Schon gut. Wir müssen gar nichts machen, oder?« Natürlich hoffte ich, dass ihn das anspornen würde, etwas zu tun.
    Stattdessen ging Tom zum Fenster, die Hände in den Taschen, und starrte hinaus in die Dunkelheit.
    »Wir könnten noch etwas trinken«, schlug ich vor.
    Schweigen.
    »Mir hat der Abend gefallen«, sagte ich.
    Schweigen.
    »Noch einen Brandy?«
    Schweigen.
    Ich seufzte. »Ich glaube, es wird spät. Vielleicht sollte ich besser gehen.«
    Da drehte Tom sich zu mir um, biss sich auf die Lippen und sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen.
    »Was ist denn?«, fragte ich. Als Antwort kniete er sich neben mir hin, umklammerte meinen Leib und legte den Kopf auf meine Brust. Er drückte so fest, dass ich dachte, ich würde rückwärts aufs Bett fallen, aber es gelang mir, mich aufrecht zu halten.
    »Tom«, sagte ich, »was ist los?«
    Aber er sagte nichts. Ich hielt seinen Kopf an meiner Brust und strich ihm übers Haar, meine Finger blieben in seinen wunderschönen Locken hängen, wühlten darin bis zur Kopfhaut.
    Ich muss dir gestehen, Patrick, ein Teil von mir wollte ihn an den Haarwurzeln hochziehen, aufs Bett werfen, ihm das Hemd vom Körper reißen und sich auf ihn stürzen. Aber ich blieb ruhig sitzen.
    Er setzte sich zurück auf die Hacken, sein Gesicht war gerötet und die Augen glänzten. »Ich wollte, dass es schön für dich ist«, sagte er.
    »Das ist es. Das ist es wirklich.«
    Wieder folgte eine lange Pause.
    »Und ich wollte dir sagen … was ich fühle.«
    »Was denn, Tom?«
    »Ich möchte, dass du meine Frau wirst«, sagte er.

II

 
29. SEPTEMBER 1957
    WARUM WIEDER SCHREIBEN? Obwohl ich weiß, dass ich vorsichtig sein muss. Obwohl ich weiß, dass es Wahnsinn ist, meine Wünsche zu Papier zu bringen. Obwohl ich weiß, dass diese schrillen Typen, die unbedingt in der ganzen Stadt herumlaufen müssen, uns anderen alles verderben. (Letzte Woche habe ich Gilbert Harding in seinem scheußlichen Kabinenroller gesehen, als er gerade aus dem Fenster irgendeinem armen Jungen auf dem Fahrrad etwas zukreischte. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.)
    Warum wieder schreiben? Weil heute die Dinge anders liegen. Man könnte vielleicht sogar sagen, dass alles anders geworden ist. Und deshalb sitze ich hier und schreibe dieses Tagebuch. Und das bedeutet, indiskret zu sein. Aber über ihn kann ich nicht schweigen. Ich werde keine Namen nennen – so leichtsinnig bin ich nicht –, aber das schreibe ich: Ich habe jemanden getroffen.
    Warum wieder schreiben? Weil Patrick Hazlewood, vierunddreißig, nicht aufgegeben hat.
    Ich denke, er ist perfekt. Sogar ideal. Und damit meine ich nicht nur seinen Körper (obwohl der auch ideal ist).
    Meine Affären – so wie sie nun mal waren und es waren nur wenige – waren eher kompliziert. Schleppend. Widerwillig vielleicht. Wie andere, Charlie zum Beispiel, so verdammt unbekümmert sein können, ist mir ein Rätsel. Die Jungen vom Strich haben ihre Reize, aber es ist alles so – ich will nicht sagen schmutzig, das meine ich nicht
– flüchtig.
Wunderbar, schrecklich flüchtig.
    Ich werde das hier verbrennen, nachdem ich es geschrieben habe. Etwas zu Papier zu bringen ist das eine; es herumliegen zu lassen, sodass jedes Paar Augen es verschlingen kann, ist etwas ganz anderes.
    Es begann mit einer mittelalterlichen Dame, die auf dem Gehsteig saß. Ich ging die Marine Parade entlang. Es war ein heiterer, warmer Spätsommermorgen. Ein Dienstag. Zeit: ungefähr sieben Uhr dreißig morgens. Früh für mich, aber ich war auf dem Weg ins Museum, um einige Schreibarbeit nachzuholen. Während ich dort entlangspazierte und dachte, wie angenehm die Stille und Einsamkeit war, und schwor, jeden Tag eine Stunde früher aufzustehen, sah ich, wie ein Auto – es war ein cremefarbener Ford, ganz sicher – gegen den Reifen eines Fahrrades stieß. Nur ganz sanft. Es dauerte ein bisschen, bevor das Fahrrad so schwankte, dass die Fahrerin mit gespreizten Händen, die Beine in die Reifen verheddert, auf den Gehsteig kippte. Das Auto fuhr

Weitere Kostenlose Bücher