Der Liebhaber meines Mannes
rührten sich, als er in der Tür stehen blieb, sich eine Zigarette anzündete und auf die Bar zusteuerte. Er blickte nach unten, während er ging, genau wie ich es getan hatte. Lass sie erst einen Blick auf dich werfen, bevor du zurückblickst.
Er nahm sich Zeit, der junge Mann. Stand sehr gerade an der Bar, lehnte das Angebot der älteren Miss Brown sich zu setzen ab. Bestellte einen Baby Tolly, den ich sehr süß finde. Dann rauchte er weiter und betrachtete sein Spiegelbild hinter der Bar.
So würde sich mein Polizist nicht benehmen. Er würde lächeln und nicken, Fremde freundlich grüßen, Interesse an seiner Umgebung zeigen. Ich stellte mir die Szene vor: Wir beide kommen herein,schütteln den Regen von den Mänteln. Die ältere Miss Brown würde fragen, ob es uns leidlich gut ginge, und wir würden ihr antworten, mehr als das, danke, und ein vielsagendes Lächeln tauschen, bevor wir uns an unseren üblichen Tisch zurückzogen. Alle Augen wären auf uns gerichtet, den hinreißenden jungen Mann und den gut aussehenden Gentleman. Wir würden über den Film oder die Show sprechen, die wir gerade gesehen hatten. Bevor wir aufstanden, um zu gehen, eine Berührung der Schulter – ich würde meinen Polizisten mit einer leichten, aber unmissverständlichen Geste an der Schulter berühren, eine Geste, die bedeutete:
Komm schon, Darling, es wird spät, lass uns nach Hause ins Bett gehen.
Aber er würde niemals einen Ort wie diesen betreten. Wenn er schon auf die Leute vom Sittendezernat gestoßen ist, weiß er Bescheid. Aber alles deutet darauf hin, dass er ein sensibler junger Mann ist. Der anders sein könnte. Sich widersetzen könnte. (Ich bin im Augenblick so gut gelaunt, dass ich trotz des Katers unglaublich optimistisch, geradezu naiv bin.)
Ich bestellte noch einen trockenen Martini.
Und dann dachte ich: Warum nicht? Der junge Mann an der Bar hatte sich noch keinen weiteren Drink bestellt und blickte in sein leeres Glas. Also stellte ich mich neben ihn. Nicht zu nah. Den Körper von ihm abgewandt, mit Blick in den Raum.
»Was trinkst du?«, fragte ich. Na ja, irgendwo muss man anfangen.
Ohne zu zögern, erwiderte er: »Scotch.« Ich bestellte ihm einen doppelten bei der Herzogin und wir beobachteten beide, wie die ältere Miss Brown seinen Drink einschenkte.
Er bedankte sich bei mir, als er den Whisky nahm, trank mit einem Schluck die Hälfte, ohne in meine Richtung zu sehen.
»Immer noch nass draußen?«, versuchte ich es wieder.
Er leerte sein Glas. »Schüttet wie aus Kübeln. Meine Schuhe sind total nass.«
Ich bestellte ihm noch einen Drink. »Warum kommst du nicht zu mir ans Feuer? Da wirst du schnell trocken.«
Da sah er mich an. Große Augen. Sein blasses Gesicht hatte etwas Ausgelaugtes und Hungriges. Etwas Junges, aber Unnahbares. Ohne ein weiteres Wort ging ich zurück zu meinem Tisch und setzte mich. Ich war mir sicher, er würde mir folgen.
Was auch geschieht, dachte ich, Dienstag kommt jedenfalls mein Polizist zu mir. Er kommt in meine Wohnung. Inzwischen kann ich hier ein bisschen Spaß haben, was immer daraus wird.
Wenige Augenblicke später war er bei mir. Ich bestand darauf, dass er seinen Stuhl näher ans Feuer rückte – näher zu mir. Nachdem er es getan hatte, herrschte lange Schweigen. Ich bot ihm eine Zigarette an. Kaum hatte er sie genommen, kam die Herzogin mit Feuer. Ich beobachtete, wie der junge Mann rauchte. Er hob die Zigarette langsam zum Mund, als würde er die Bewegungen eines Schauspielers in einem Film imitieren. Er kniff die Augen zusammen. Zog die Wangen ein. Hielt ein paar Sekunden die Luft an und blies dann aus. Als er die Hand wieder zum Mund führte, bemerkte ich einen Bluterguss an seinem Handgelenk.
Ich fragte mich, wie er hier gelandet war, wer ihm empfohlen hatte, ausgerechnet hierherzukommen. Seine Jacke war leicht abgetragen, aber die Schuhe brandneu und vorne spitz. Er hätte eigentlich im Greyhound sitzen sollen. Jemand hatte ihn schlecht beraten. Oder vielleicht – das hatte ich einmal vor Jahren gemacht – hatte er einfach seinen ganzen Mut zusammengenommen und war in das erste Lokal gegangen, über das er ein schmutziges Gerücht gehört hatte.
»Also, was hat dich in diese alte Bruchbude verschlagen?«, fragte ich. (Ich war schon ein bisschen angesäuselt.)
Er zuckte mit den Schultern.
»Ich bestell dir noch einen«, ich nickte der Herzogin zu, die an der Bar lehnte und uns beide genau beobachtete.
Als die neuen Drinks kamen, zusammen mit
Weitere Kostenlose Bücher