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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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Laut und hemmungslos, und es hallte durch die ganze Kunstabteilung. »Himmel, nein«, sagte er.
    »Das ist schade.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wenn dir Kunst gefällt, bist du unten auf der Wache ein Waschlappen. Oder schlimmer.«
    Wir sahen uns an. Seine Augen lächelten, das schwöre ich.
    »Na ja – das ist die allgemeine Auffassung, glaube ich …«
    »Ich kenne nur einen anderen Menschen, der sich dafür interessiert.«
    »Und wer ist das?«
    »Ein Mädchen, das ich kenne. Eine Freundin. Sie ist Lehrerin. Obwohl sie sich mehr für Bücher interessiert. Aber wir führen Gespräche …«
    »Über Kunst?«
    »Über alles Mögliche. Ich bringe ihr Schwimmen bei.« Er lachte wieder, diesmal leiser. »Aber sie ist nicht besonders gut. Wird überhaupt nicht besser.«
    Das wette ich, dachte ich.
    Ich ging weiter, führte ihn in die Skulpturensammlung.
Freundin,
hatte er gesagt. Eine kleine Enthüllung. Nichts, um in Panik zu geraten. Als er von ihr sprach, war seine Gesichtsfarbe unverändert geblieben. Er war meinem Blick nicht ausgewichen. Mit einer
Freundin
kann ich leben.
Eine Freundin. Die Freundin. Liebste. Verlobte.
Mit ihnen allen kann ich mich arrangieren. Ich habe Erfahrung damit. Michael hatte eine Freundin. War ein beschränktes kleines Ding. Hat ihn immer mit Sandwiches gefüttert. Ziemlich süß auf ihre Art.
    Sogar mit einer
Ehefrau.
Ich glaube, ich könnte mich mit einer Ehefrau arrangieren. Ehefrauen sind zu Hause, das ist das Gute an ihnen. Sie sind zu Hause, sie sind still und sie sind froh, wenn sie ihn von hinten sehen. Normalerweise. Nur mit einer
Geliebten
kann ich nicht leben. Geliebte sind etwas anderes.
    »Das hier«, sagte ich, »ist
Ikarus,
von Alfred Gilbert. Es ist ein Bronzeguss. Im Moment als Leihgabe bei uns.«
    Da war er, seine Flügel um ihn herum wie das Cape eines Stierkämpfers, und kein Feigenblatt. Das Beeindruckendste an ihm ist für mich sein Glaube an diese Flügel. Nutzlos, fragil, an seinen Armen mit ein Paar Manschetten befestigt, und trotzdem glaubt er an sie, wie ein Kind daran glaubt, dass ein Umhang es unsichtbar macht. Er ist jugendlich muskulös, steht da mit zur Seite geschobener Hüfte, ein Bein gebeugt, seine glänzende Brust fängt das Licht des Spots über ihm ein. Die Linie vom Hals zum Unterleib ist leicht geschwungen. Er steht allein auf seinem Stein, blickt verschämt nach unten. Er ist ernst und lächerlich zugleich, und er ist schön.
    Mein Polizist und ich standen vor ihm und ich sagte: »Kennst du die Geschichte?«
    Er warf mir einen Blick von der Seite zu.
    »Schon wieder griechische Mythologie, fürchte ich. Ikarus und sein Vater, Daedalus, sind aus dem Gefängnis entkommen, indem sie Flügel benutzten, die sie aus Federn und Wachs gemacht hatten. Aber gegen den Rat seines Vaters flog Ikarus zu nah an die Sonne, seine Flügel schmolzen und – na ja, den Rest kannst du dir denken. Die Geschichte wird oft Schulkindern erzählt als Warnung davor, zu ehrgeizig zu sein. Und um ihnen einzuschärfen, dass es wichtig ist, auf seinen Vater zu hören.«
    Er beugte sich über die Glasvitrine, atmete dagegen. Er ging rundherum, betrachtete den Jungen aus allen Blickwinkeln, während ich mich zurückhielt und ihn beobachtete. Wir erblickten unsere Spiegelbilder auf der Glasscheibe, unsere Gesichter verschmolzen mit Gilberts goldenem Ikarus und wurden verzerrt.
    Ich wollte ihm sagen:
Ich kann nicht schwimmen. Bring es mir bei. Bring mir bei, mit dir durch die Wellen zu pflügen.
    Aber das sagte ich nicht. Stattdessen sagte ich so fröhlich, wie ich konnte: »Du solltest sie herbringen.«
    »Wen?«
    Genau die Antwort, auf die ich gehofft hatte.
    »Deine Freundin. Die Lehrerin.«
    »Oh. Marion.«
    ›Marion‹. Sogar der Name ist schulmeisterlich. Erinnert an dicke Strümpfe und noch dickere Brillengläser. »Bring sie her.«
    »Ins Museum?«
    »Und um mich kennenzulernen.«
    Er richtete sich auf. Legte eine Hand in den Nacken, runzelte die Stirn. »Soll sie auch an dem Projekt teilnehmen?«
    Ich lächelte. Er fürchtete schon, verdrängt zu werden.
    »Vielleicht«, sagte ich. »Aber du bist unser erstes Motiv. Wir gucken erst mal, wie es läuft, in Ordnung? Du kommst doch?«
    »Dienstag.«
    »Dienstag.« Aus einem Impuls heraus fügte ich hinzu: »Hast du was dagegen, wenn wir uns woanders treffen? In meinem Büro ist nicht wirklich Platz. Und nicht die nötigen Zeichenutensilien.« Ich zog meine Visitenkarte aus der Tasche und gab sie ihm. »Wir könnten uns

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