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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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einem sauberen Aschenbecher, von der Herzogin mit einem sehnsüchtigen Blick serviert, rückte ich ein bisschen näher an den Jungen heran. »Ich hab dich hier noch nie gesehen«, sagte ich.
    »Ich dich auch nicht.«
    Treffer.
    »Nicht, dass ich oft hier war«, fügte er hinzu.
    »Hier kann man gut hingehen. Der Laden ist besser als die meisten.«
    »Ich weiß.«
    Wahrscheinlich wegen der Menge trockener Martinis, die ich schon getrunken hatte, verlor ich plötzlich die Geduld. Der Junge war offensichtlich gelangweilt; er wollte nur einen Drink, den er sich selbst nicht leisten konnte; er war nicht im Geringsten an mir interessiert.
    Ich stand auf, schwankte ein bisschen.
    »Du gehst?«
    »Es wird reichlich spät … «
    Er sah zu mir hoch. »Vielleicht könnten wir … woanders reden?«
    Ausgesprochen unverschämt, wirklich.
    »Black Lion«, sagte ich und drückte meine Zigarette aus. »In zehn Minuten.«
    Ich bezahlte die Rechnung, ließ ein großzügiges Trinkgeld für die gaffende Herzogin da und ging. Ich war ganz ruhig, als ich die Straße überquerte und den schmalen Durchgang betrat, der zur Black Lion Street führte. Es hatte aufgehört zu regnen. Ich schwenkte meinen Regenschirm und fühlte mich beim Gehen ganz leicht vom Alkohol. Ich ging schnell, ohne eine Anstrengung zu spüren, ich hätte »Stormy Weather« pfeifen können.
    Ohne Zögern nahm ich die ersten Stufen hinunter zur Klappe. Ich sah mich nicht einmal um, um zu prüfen, ob ich beobachtetwurde. Ich bin eigentlich nie jemand für so etwas gewesen. Selbstverständlich habe ich meine Erfahrungen gemacht, besonders bevor Michael und ich uns regelmäßig getroffen haben. Aber seitdem habe ich sehr wenig intimen Kontakt zu Männern gehabt. Letzte Nacht merkte ich plötzlich, wie sehr ich es brauchte. Wie sehr ich es vermisst hatte.
    Dann tauchte ein großer Mann in einem schicken Tweedmantel auf und begann, die Stufen hinaufzusteigen. Als er sich an mir vorbeidrängte, murmelte er: »Scheiß Schwuler.«
    Weiß Gott, nicht das erste Mal. Und bestimmt nicht das letzte Mal. Aber es schockierte mich. Schockierte mich und ließ mein heißes Verlangen völlig erkalten. Ich hatte zu viele Martinis gehabt. Es hatte aufgehört zu regnen. Mein Polizist würde am Dienstag kommen. Ich war dumm genug gewesen, mir einzubilden, dass ich mit diesem Jungen Spaß haben und ausnahmsweise einmal einfach weitermachen könnte.
    Ich hielt auf halbem Weg nach unten an und lehnte mich gegen die kalte gekachelte Wand. Der Geruch von Urin, Desinfektionsmittel und Sperma stieg von der Klappe unten herauf. Ich könnte immer noch hinuntergehen. Ich könnte den Jungen immer noch halten und mir vorstellen, es wäre mein Polizist. Ich könnte seine drahtigen braunen Haare berühren und mir weiche blonde Locken vorstellen.
    Aber mein trochäisches Herz protestierte. Deshalb schleppte ich mich dort heraus und nahm ein Taxi nach Hause.
    Seltsam. Was mir jetzt bleibt, ist die Befriedigung zu wissen, dass ich tatsächlich da war. Ich bekam es mit der Angst zu tun, aber zumindest war ich erst im Argyle und dann beim Black Lion. Beides habe ich sehr selten geschafft seit Michael. Und trotz dieses elenden Katers bin ich erstaunlich unbeschwert.
    Nur noch zwei Tage, und dann …

 
8. OKTOBER 1957
    DER TAG: DIENSTAG . Die Zeit: sieben Uhr dreißig abends.
    Ich stehe am Fenster und warte auf ihn. Die Wohnung hier drinnen ist so aufgeräumt, dass sie fast unbewohnt aussieht. Das dunkle Meer draußen ist ruhig.
    DUM-De geht mein Herz.
    Ich habe den Barschrank geöffnet, die neueste Ausgabe von »Art und Artists« auf dem Couchtisch ausgelegt, mich überzeugt, dass das Badezimmer makellos sauber ist. Die Putzfrau, Mrs Gunn, kommt nur einmal die Woche zu mir und ich bin mir nicht sicher, dass sie noch so gut sieht wie früher. Ich habe meine alte Staffelei abgestaubt und im Gästezimmer aufgestellt, zusammen mit einer Palette, ein paar Farbtuben, einigen in ein Marmeladenglas gestopften Messern und Pinseln. Der Raum sieht immer noch zu ordentlich für ein Studio aus – der gesaugte Teppich, das frisch gemachte Bett – aber ich nehme an, es ist das erste Mal, dass er den Arbeitsplatz eines Künstlers sieht, und er wird nicht viele Erwartungen haben.
    Ich habe die Fotos von Michael nicht weggeräumt, obwohl ich daran gedacht habe, es zu tun. Habe überlegt, Musik anzustellen, aber entschieden, dass das zu viel wäre.
    Gerade heute Abend ist es ziemlich kalt geworden, deshalb ist die Heizung an

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