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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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sagte ihr, sie könne gehen. An der Tür wiederholte sie: »Ich verstehe, Mr Hazlewood. Ich werde nichts sagen.« Und sie verabschiedete sich.
    Jetzt zu Hause muss ich an Michaels Vermieterin denken. Mrs Esme Owens, Witwe. Sie wohnte unten, stellte keine Fragen, strickte endlos Socken für die Armen und machte Michael freitags Fischpastete, die köstlich war, wie er versicherte. Er sagte immer, sie wäre die Diskretion in Person. Sie hatte im Krieg ein- oder zweimal etwas gesehen, die alte Esme, und nichts schockierte sie mehr. Für seine Gesellschaft revanchierte sie sich mit Schweigen. Denn sie musste bemerkt haben, wie häufig ich ihn besuchte, und sich gefragt haben, warum er jede Mittwochnacht außer Haus verbrachte.
    Aber ich habe mich oft gefragt, wer Michael diese Briefe schrieb. Er sagte, es wäre niemand, den wir kannten, eine professionelle Bande, die von der Erpressung Homosexueller wahrscheinlich gut lebte. Im ersten Brief stand nichts von Bedeutung, bis zu dem Punkt: HABE DICH IM P RODIS MIT EINEM STRICHER GESEHEN. WENN ICH SCHWEIGEN SOLL, SCHICK BIS FREITAG FÜNF PFUND . Die Adresse war ein Haus in West Hove. Rechtschaffen wütend liefen wir dort einen Sonntagnachmittagherum, ohne Plan, ohne eine Ahnung, was wir wollten. Als wir ein paar Mal an der Tür vorbeigegangen waren, merkten wir, dass das Haus vollkommen leer war. Diese Leere machte mir plötzlich den Ernst der Situation bewusst. Diese Bedrohung hatte kein Gesicht. Es war etwas, das wir nicht sehen konnten, geschweige denn bekämpfen. Wir gingen schweigend nach Hause. Ich versuchte, Michael davon abzubringen, aber er schickte das Geld. Ich wusste, dass er keine Wahl hatte, aber ich dachte, ich müsste widersprechen.
    Einige Wochen später fand ich einen weiteren Brief in seiner Wohnung und diesmal hatte sich das Schweigegeld verdoppelt. Zwei Monate nach dem ersten Brief hatte Michael sich umgebracht.
    Und so denke ich manchmal an Mrs Esme Owens und ihre Diskretion. Auf Michaels Beerdigung trug sie eine sehr teuer aussehende Pelzstola. Und tat um einiges verzweifelter, als man von einer Vermieterin erwarten würde.

 
15. OKTOBER 1957
    DIE SACHE MIT MUTTER hat mich sehr beunruhigt. Sonntagabend lag ich wach im Bett und war überzeugt, dass sie nur noch wenige Tage hatte und ich mich auf ihren Tod vorbereiten müsste. Aber am Montag dachte ich, vielleicht müsste ich mich schlimmstenfalls auf eine lange Krankheit gefasst machen und ich sollte sie nach Brighton holen, damit ich sie pflegen konnte. Ich warf auf dem Heimweg vom Museum sogar einen Blick ins Schaufenster von Cubitt und West, um zu sehen, ob bei mir in der Nähe Wohnungen frei waren. Heute Morgen dachte ich aber, dass Mutter zu der Sorte gehörte, die durchhielt und wahrscheinlich noch einige gute Jahre vor sich hatte, bevor mein Eingreifen notwendig war. Trotzdem hatte ich beschlossen, sie zumindest zu bitten herzukommen, um meine Bereitwilligkeit zu zeigen. Und als ich mich heute Abend mit einem Gin und Tonic hinsetzte, um ihr das zu schreiben, klingelte es.
    Nächste Woche um dieselbe Zeit. Ich lächelte. Obwohl ich wegen Mutters Krankheit beunruhigt gewesen war, hatte ich natürlich auf ihn gewartet und das Gästezimmer hergerichtet. Aber erst als es klingelte, gestand ich mir selbst ein, dass ich erwartet hatte, dass mein Polizist wiederkommen würde, obwohl ich ihn letztes Mal weggeschickt hatte.
    Ich saß einige Augenblicke da und genoss die Erwartung, ihn gleich zu sehen. Ich ließ mir Zeit und las sogar noch einmal, was ich geschrieben hatte. »Liebe Mutter«, hatte ich angefangen, »ich hoffe, du denkst nicht, dass ich mich einmische oder über deinen Zustand aufrege.« Beides traf natürlich zu.
    Dann klingelte es wieder. Diesmal ein langes, ungeduldiges Klingeln. Er war wiedergekommen. Ich hatte ihn weggeschickt, aber er war wiedergekommen. Und das machte einen bedeutenden Unterschied. Es war seine Entscheidung. Er war der Hartnäckige, nicht ich. Da draußen war er und drückte wieder meine Klingel. Ich stürzte den Rest des Gins herunter und ging nach unten, um ihn hereinzulassen.
    Seine ersten Worte, als er mich sah, waren: »Bin ich zu früh?«
    »Überhaupt nicht«, sagte ich, ohne auf die Uhr zu sehen. »Du bist pünktlich.« Ich führte ihn über die Treppe hinauf in die Wohnung und ging hinter ihm, damit er meinen unwillkürlich federnden Gang nicht sah.
    Er trug die Uniform wieder in der Hand und hatte einen schwarzen Pullover und Jeans an. Wir gingen ins

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