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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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griff.
    »Warte.«
    Er blieb stehen und sah mich an. Ich streckte die Hand aus und strich ein Büschel Haare bei ihm glatt.
    »Ich muss gehen –«
    Ich hielt ihn auf, indem ich ihn fest auf den Mund küsste. Dann öffnete ich die Tür und prüfte, ob niemand in der Nähe war. »Geh jetzt«, flüsterte ich. »Sei brav. Und pass auf, dass dich niemand auf der Treppe sieht.«
    Vollkommen leichtsinnig, wirklich, ihn um diese Zeit gehen zu lassen. Aber ich war wieder in diesem Zustand. Der Zustand, in dem alles möglich erscheint. Als er weg war, legte ich »Quando me’n vo’ soletta per la via« auf dem Plattenspieler auf. Drehte auf volle Lautstärke. Walzte allein durch die Wohnung, bis mir schwindelig war. Mutter sagt immer: »Mir ist ganz schwindelig geworden.« Es ist ein wunderbares Gefühl.
    Zum Glück war es ein ruhiger Morgen. Es gelang mir, mich die meiste Zeit in meinem Büro einzuschließen, aus dem Fenster zu sehen und mich an die Berührungen meines Polizisten zu erinnern.
    Das reichte, um die Stunden bis ungefähr zwei Uhr auszufüllen. Da fiel mir plötzlich ein, dass ich keine Ahnung hatte, wann ich ihn wiedersehen würde. Vielleicht, dachte ich, würde die eine Nacht zusammen unsere letzte sein. Vielleicht war die Arbeit nur ein Vorwand. Eine Möglichkeit, aus meiner Wohnung zu flüchten, weg von mir und dem, was passiert war. Ich musste ihn sehen, und wenn es nur für eine Minute war. Das Ganze erschien mir jetzt schon traumhaft, weil es so unwahrscheinlich war, es würde zerbröseln, wenn ich es nicht tat.
    Als Jackie hereinkam, um zu fragen, ob ich Tee wollte, sagte ich, dass ich auf dem Weg zu einem dringenden Treffen sei und den Tag nicht mehr zurückkommen würde. »Soll ich es Mr Houghton sagen?«, fragte sie, den Mund auf einer Seite leicht hochgezogen.
    »Nicht nötig«, sagte ich und drängte mich an ihr vorbei, bevor sie noch mehr fragen konnte.
    Draußen war der Nachmittag frisch und kalt. Die Intensität der Sonne überzeugte mich, dass ich mich richtig entschieden hatte. Der Pavillon leuchtete in sattem Creme. Die Fontänen am Steinufer glitzerten.
    Sobald ich an der frischen Luft war, hatte ich es nicht mehr ganz so eilig. Ich trabte die Strandpromenade entlang, genoss die kühle Brise auf meinem Gesicht. Nahm das blendende Weiß der Regency Häuser wahr. Dachte zum x-ten Mal, welches Glück ich hatte, in dieser Stadt zu wohnen. Brighton liegt am äußersten Rand von England und wir haben hier ein bisschen das Gefühl, dass wir irgendwo ganz woanders sind. Irgendwo weit weg von der Düsternis hinter den Hecken Surreys, den feuchten, tief liegenden Straßen von Oxford. Hier können Dinge geschehen, die woanders nicht geschehen würden, auch wenn sie nur flüchtig sind. Hierkann ich meinen Polizisten nicht nur berühren, er kann über Nacht bei mir bleiben, mein Oberschenkel zwischen seinem schweren und der Matratze eingeklemmt. Der Gedanke daran war so ungeheuerlich, so aberwitzig und dennoch war es wirklich, dass ich auflachte, direkt hier auf der Marine Parade. Eine Frau, die an mir vorbei in die andere Richtung ging, lächelte mich an wie jemand, der nachsichtig mit einem Verrückten ist. Immer noch leise in mich hineinlachend, bog ich in die Burlington Street und ging auf den Bloomsbury Place zu.
    Da war das Polizeihäuschen, nicht größer als ein Toilettenhäuschen, das blaue Licht schwach in der Sonne. Zu meiner Freude lehnte kein Fahrrad von außen daran. Ein Fahrrad draußen bedeutet Besuch vom Sergeant; das hat er mir erzählt. Trotzdem blieb ich stehen und blickte die Straße rauf und runter. Niemand zu sehen. Das leise Rauschen des Meeres in der Ferne. Die Milchglasscheiben der Zelle verrieten nichts, aber ich vertraute darauf, dass er drin war. Auf mich wartete.
    Was für ein idealer Ort für ein Stelldichein, dachte ich. Drinnen wären wir versteckt, aber wir wären an einem öffentlichen Ort. Ein Polizeihäuschen bietet sowohl Abgeschiedenheit als auch Spannung. Was kann man mehr verlangen? Sich in einem Polizeihäuschen lieben. Daraus könnte man eins dieser wunderbaren Heftchen machen, die nur im Versandhandel erhältlich sind.
    Schwindelig. Und alles scheint möglich.
    Ich klopfte laut an die Tür. DUM-De schlug mein Herz. DUM-De. DUM-De. DUM-De .
    POLIZEI , stand auf dem Schild. IM NOTFALL RUFEN SIE VON HIER AN .
    Das hier war eine Art Notfall.
    Sobald sich die Tür öffnete, sagte ich: »Entschuldige«, und fühlte mich plötzlich wie ein katholischer Junge, der um

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