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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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fragte er, als ich ihn von oben bis unten ansah. »Nichts«, sagte ich lächelnd. »Nichts.«
    Ich fuhr rücksichtslos. Sah verstohlen zu ihm hin, wenn ich konnte. Riss das Auto um die Kurven. Der Fuß auf dem Gaspedal vermittelte mir ein solches Gefühl von Macht, dass ich beinahe anfing zu lachen.
    »Du fährst zu schnell«, bemerkte er, als wir auf der Küstenstraße aus der Stadt herausfuhren.
    »Wirst du mich festnehmen?«
    Er lachte kurz. »Ich dachte nicht, dass du der Typ bist, das ist alles.«
    »Der Schein«, sagte ich, »kann trügen.«
    Ich bat ihn, mir alles über sich zu erzählen. »Fang von vorne an«, sagte ich. »Ich will alles über dich wissen.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Nicht viel zu erzählen.«
    »Ich weiß, dass das nicht stimmt«, drängte ich und warf einen bewundernden Blick in seine Richtung. Er sah aus dem Fenster. Seufzte. »Das meiste weißt du schon. Ich hab’s dir erzählt. Schule. Blödsinn. Wehrdienst. Langweilig. Polizei. Nicht schlecht. Und Schwimmen … «
    »Ja, und was ist mit deiner Familie? Deinen Eltern? Geschwistern?«
    »Was soll mit ihnen sein?«
    »Wie sind sie?«
    »Sie sind … du weißt schon. In Ordnung. Ganz normal.«
    Ich versuchte es anders. »Was willst du im Leben?«
    Er sagte erst nichts, dann: »Im Moment will ich etwas über dich wissen. Das will ich.«
    Also übernahm ich das Reden. Ich konnte beinahe fühlen, wie er zuhörte, so begierig war er zu hören, was ich zu sagen hatte. Das ist natürlich das Schmeichelhafteste: einen willigen Zuhörer zu haben. Also redete und redete ich, über das Leben in Oxford, die Jahre, die ich versucht hatte, vom Malen zu leben, wie ich die Stelle im Museum bekommen hatte, meine Ansichten über Kunst. Ich versprach, ihn mit in die Oper zu nehmen, in ein Konzert in der Royal Festival Hall und in alle bedeutenden Gemäldesammlungen in London. Er sagte, er wäre schon in der National gewesen. Auf einem Schulausflug. Ich fragte ihn, woran er sich dort erinnerte, und er nannte Caravaggios »Abendmahl in Emmaus«: den glatt rasierten Christus. »Ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden«, sagte er. »Jesus ohne Bart. Das war wirklich seltsam.«
    »Seltsam wie wunderbar?«
    »Vielleicht. Es schien irgendwie nicht richtig, aber es war wirklicher als alles andere dort.«
    Ich stimmte zu. Und wir haben uns vorgenommen, nächstes Wochenende zusammen hinzugehen.
    Bei Seaford war der Nebel noch schlimmer, und als wir Cuckmere Haven erreichten, schien die Straße vor uns völlig verschwunden. Der Fiat war das einzige Auto auf dem Parkplatz. Ich sagte, wir müssten nicht spazieren gehen – wir könnten einfach reden. Und essen. Und wozu wir sonst Lust bekamen. Aber er war entschlossen. »Wir sind den ganzen Weg gefahren«, sagte er und stieg aus dem Auto. Es war eine ziemliche Enttäuschung zu erleben, dass er einfach so von mir wegging, sich nicht länger gefangen halten ließ.
    Der Fluss, der sich langsam zum Meer hinunterschlängelt, verlor sich vor uns im Nebel. Wir konnten nur den grauen Kalkstein des Fußweges sehen und den Fuß – nicht die Kuppen – der Hügel an der einen Seite. Gelegentlich tauchte aus dem Nebel die stumme Gestalt eines Schafes auf. Mehr nicht.
    Mein Polizist, die Hände in den Taschen, stiefelte voran.
    Während wir gingen, fielen wir in angenehmes Schweigen. Es war, als wären wir im stillen, versöhnlichen Nebel geborgen. Wir sahen keinen einzigen Menschen. Hörten nichts außer unseren eigenen Schritten auf dem Weg. Ich sagte, wir sollten umkehren – es wäre sinnlos: Wir könnten vom Fluss, von den Downs und vom Himmel überhaupt nichts sehen. Und ich hatte Hunger; ich hatte ein Picknick gepackt und ich wollte essen. Er drehte sich um und sah mich an. »Wir müssen erst einen Blick aufs Meer werfen«, sagte er.
    Nach einer Weile konnte ich Sog und Wellenschlag des Kanals hören, auch wenn ich den Strand nicht sehen konnte. Mein Polizist ging schneller und ich folgte ihm. Sobald wir da waren, standen wir nebeneinander am steilen Kieselsteinufer und starrten in den grauen Dunst. Er atmete tief ein. »Gut zum Schwimmen hier«, sagte er.
    »Wir kommen wieder. Im Frühling.«
    Er sah mich an. Das Lächeln spielte um seine Lippen. »Oder früher. Wir könnten abends kommen.«
    »Es wäre kalt«, sagte ich.
    »Es wäre geheim«, sagte er.
    Ich berührte seine Schulter. »Wir kommen wieder, wenn die Sonne scheint. Wenn es warm ist. Dann schwimmen wir beide.«
    »Aber es gefällt mir so. Nur wir und

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