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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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hinter dem Tresen.
    Ich sah mich hinter ihm ein bisschen um, studierte die Menütafel für den Abend (Seezunge in Weißwein, Zitronentarte) und die Liste der Veranstaltungen und Bälle der folgenden Woche. Ich traute mich nicht, mich in einen der Ledersessel mit hoher Rückenlehne zu setzen, denn es könnte jemand auftauchen und mich fragen, ob ich etwas trinken wollte. Lieber drehte ich noch eine Runde. Und immer noch wartete Tom. Und immer noch kam keiner.
    Da ich nicht länger meine Runden drehen wollte, blieb ich am Tresen stehen und ließ die Hand abrupt auf die Klingel fallen. Als der helle Klingelton durch die Lobby hallte, zuckte Tom zurück. »Das hätte ich tun sollen«, zischte er.
    Sofort erschien ein Mann mit glänzenden schwarzen Haaren und gestärkter weißer Jacke. Er blickte von Tom zu mir und wieder zurück, bevor er ein Lächeln zustande brachte. »Tut mir leid, dass Sie warten mussten, Mr und Mrs …«
    »Burgess«, sagte Tom, bevor ich es konnte. »Mr Und Mrs Thomas Burgess.«
    Die finanziellen Mittel von Toms Vater reichten nicht ganz für einen Meerblick. Unser Zimmer war an der Rückseite des Hotels mit Blick auf einen Hinterhof, wo sich das Personal zum Schwatzen und Rauchen traf. Als wir erst einmal drinnen waren, setzte Tom sich nicht hin, sondern stolzierte im Zimmer herum, zog an den schweren purpurroten Gardinen, die den größten Teil desFensters bedeckten, strich über das leberfarbene Federbett, wies laut auf die luxuriöse Ausstattung hin (»Sie haben eine Mischbatterie!«), so wie er es getan hatte, als wir in deiner Wohnung waren, Patrick. Nach einem Kampf mit dem Riegel und einem fürchterlichen Knirschen gelang es ihm, das Fenster zu öffnen, um das nachmittägliche Kreischen der Möwen hereinzulassen.
    »Geht es dir gut?«, fragte ich. Das wollte ich eigentlich nicht sagen.
Komm vom Fenster weg und küss mich,
wollte ich sagen. Ich hatte sogar überlegt, kurz, überhaupt nichts zu sagen; einfach zu beginnen mich auszuziehen. Es war noch früh; noch nicht fünf Uhr nachmittags vorbei, aber wir waren frisch verheiratet. In einem Hotel. In Brighton. Wo solche Dinge ständig passieren.
    Er grinste mich gewinnend an. »Es ging mir nie besser.« Er kam zu mir herüber und küsste meine Wange. Ich bewegte die Hand nach oben, zu seinen Haaren, aber er war schon wieder am Fenster, riss an den Gardinen und sah hinaus. »Ich dachte«, sagte er, »wir sollten ein bisschen Spaß haben. Es ist schließlich unser Honeymoon.«
    »Oh ja?«
    »Wir könnten so tun, als wären wir Urlauber«, sagte er, während er sich die Jacke anzog. »Es ist noch viel Zeit bis zum Abendessen. Los komm, wir gehen zum Pier.«
    Es regnete immer noch. Zum Pier gehen oder überhaupt hinausgehen war das Letzte, was ich wollte. Ich hatte mir vorgestellt, wir hätten noch eine Stunde für Intimität – Herumschmusen, wie wir es damals nannten, und Herumturteln darüber, dass wir frisch verheiratet waren – dann Abendessen, dann schnell ins Bett.
    Es hört sich für dich vielleicht so an, als hätte mich nur eines interessiert. Vielleicht bist du sogar erstaunt, dass ich es im Jahr 1958 mit einundzwanzig kaum erwarten konnte, meine Jungfräulichkeit zu verlieren. Heute ist es etwas Alltägliches, auch bei viel Jüngeren; obwohl, um ehrlich zu sein, ich glaube, dass ich selbst 1958 ein Spätzünder war. Ich erinnere mich genau, dass ich derMeinung war, ich sollte zumindest ein bisschen Angst davor haben, mit Tom zu schlafen. Dabei hatte ich überhaupt keine Erfahrung und wusste kaum etwas über den Akt selbst, außer dem, was Sylvie und ich aus einem Exemplar von »Married Love« erfahren hatten, das sie irgendwo gestohlen hatte. Aber ich hatte viele Romane gelesen und rechnete fest damit, dass sich eine Art romantischer Nebel herabsenken würde, sobald Tom und ich in den Laken lagen, gefolgt von einem geheimnisvollen, mystischen Zustand, genannt »Ekstase«. Schmerz und Scham kamen mir nicht in den Kopf. Ich vertraute darauf, dass er wusste, was zu tun war, und dass ich entzückt sein würde, an Körper und Seele.
    Als Tom lächelte und die Hand nach mir ausstreckte, wusste ich, ich sollte trotzdem so tun, als ob ich nervös wäre. Eine gute jungfräuliche Braut würde ängstlich sein; sie würde erleichtert sein, dass ihr Ehemann sie bat, draußen spazieren zu gehen statt direkt ins Bett zu springen.
    Und so bummelten wir ein paar Minuten später Arm in Arm auf den Lärm und die Lichter des Palace Piers zu.
    Meine

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