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Der Liebhaber meines Mannes

Der Liebhaber meines Mannes

Titel: Der Liebhaber meines Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bethan Roberts
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Boucléjacke war ziemlich dünn und ich klammerte mich an Toms Arm, da wir beide unter einem Hotelschirm Schutz suchten. Ich war froh, dass nur einer verfügbar war, so mussten wir ihn uns teilen. Wir eilten über die King’s Road, wurden von einem vorbeifahrenden Bus nass gespritzt, und Tom bezahlte für uns, damit wir die Drehkreuze passieren konnten. Der Wind drohte unseren Schirm wegzuwehen, aber Tom hatte ihn fest im Griff, obwohl die Wellen um die eisernen Beine des Piers schäumten und Kiesel an den Strand schleuderten. Wir kämpften uns an den tropfnassen Liegestühlen, Wahrsagern und Donutständen vorbei. Meine Haare waren vom Wind zerzaust und die Hand, mit der ich über Toms den Schirm umklammerte, war taub. Aus Toms Gesicht und Körper sprach die Entschlossenheit, dem Wetter zu trotzen.
    »Lass uns zurückgehen … «, begann ich, aber der Wind musste meine Stimme mitgenommen haben, denn Tom ging weiter und rief: »Rutschbahn? Haus der Hölle? Oder Geisterbahn?«
    Da begann ich zu lachen. Was sollte ich sonst tun, Patrick? Da stand ich an meinem Honeymoon, umtost von einem feuchten Wind auf dem Palace Pier, unser warmes Hotelzimmer nur wenige hundert Meter entfernt – das Bett noch tadellos gemacht –, und mein frisch angetrauter Ehemann forderte mich auf, mir ein Fahrgeschäft auszusuchen.
    »Ich bin für die Rutschbahn«, sagte ich und begann, auf den blau-rot gestreiften Turm zuzulaufen. Die Rutsche – damals »The Joy Glide« genannt – war ein gewohnter Anblick, aber ich war tatsächlich noch nie hinuntergerutscht. Plötzlich schien es eine gute Idee. Meine Füße waren durchnässt und kalt, und wenn ich sie bewegte, würden sie zumindest ein bisschen wärmer werden. (Tom hat die Kälte nie gespürt, hast du das bemerkt? Als wir schon eine Weile verheiratet waren, fragte ich mich, ob sich durch das viele Schwimmen im Meer unter seiner Haut eine Art schützende Fettschicht entwickelt hatte wie bei einem Seehund. Vielleicht war das auch eine Erklärung dafür, dass er auf meine Berührung nicht reagierte. Mein zähes, schönes Meerestier.)
    Das Mädchen in der Bude – schwarzer Zopf und blassrosa Lippenstift – nahm unser Geld und gab uns ein Paar Matten. »Einer nach dem anderen«, befahl sie. »Und nicht die Matte teilen.«
    Ich war erleichtert, aus dem Wind in den Holzturm zu kommen. Tom folgte mir die Treppe hinauf. Ungefähr alle zehn Stufen bekamen wir kurz den grauen Himmel draußen zu sehen. Je weiter wir nach oben stiegen, desto lauter heulte der Wind. Auf der Hälfte des Weges nach oben hielt ich aus irgendeinem Grund an und sagte: »Hol sie der Teufel. Wir können uns eine Matte teilen. Wir sind frisch verheiratet.« Ich warf meine die Treppe hinunter. Sie verfehlte knapp Toms erschrecktes Gesicht und landete mit einemPlumps. Er lachte nervös. »Ist da genug Platz?«, fragte er, ohne anzuhalten. Die Bodenbretter der engen Plattform ächzten im Wind. Ich atmete in großen Zügen die salzige Luft ein. Von dort oben konnte ich sehen, wie die Lichter in den Zimmern des Ship Hotels angingen, und ich dachte wieder an unser Bett mit der dicken Decke und die perfekt gebügelten Laken.
    »Beeil dich«, rief ich. »Ich kann nicht ohne dich runterkommen.«
    Als er sich näherte, sah er sehr blass aus, und ohne nachzudenken, trat ich vor und küsste seinen kalten Mund. Es war ein kurzer Kuss, aber seine Lippen wurden nicht starr und hinterher lehnte er, wie um Atem zu holen, den Kopf an meine Schulter. Er zitterte ein bisschen und ich seufzte erleichtert. Endlich. Er hatte auf mich reagiert.
    Dann sagte er: »Marion. Du wirst denken, ich bin ein Feigling, aber ich mag Höhen nicht besonders.«
    Ich blickte über die tosende See und versuchte zu begreifen, was er gesagt hatte. Tom Burgess, Meerschwimmer und Polizist, hatte Angst, weil er oben auf der großen Rutsche stand. Bis zu dem Moment hatte es so ausgesehen, als wäre er zu allem fähig, durch nichts aus der Fassung zu bringen. Und jetzt diese Schwäche. Das war meine Chance, ihm näherzukommen. Ich hielt ihn fest, roch seinen neuen Anzug und war erstaunt, wie warm er war, selbst an dieser eisigen, dem Wetter ausgesetzten Stelle. Ich hätte vorschlagen können, dass wir die Treppe hinuntergehen, aber ich wusste, das würde seinen Stolz verletzen, und außerdem wollte ich nicht die Chance verpassen, die Matte mit meinem frisch angetrauten Ehemann zu teilen, die Chance, dass wir beide aneinander geklammert die Rutsche hinunterrasten. »Dann

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