Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
bei den Großeltern ohne sie besser unterhalten haben als sie sich in ihrer langweiligen Kur.«
    »Na gut, warten wir es ab. Lasst uns inzwischen diesen Artikel über den anstößigen Uranus lesen, damit wir in den nächsten Tagen sinnreich darüber Konversation führen können.«

27. Kapitel
    Wiedersehen mit alten Freunden
    Madame zog es vor, das Wochenende über mit einer heftigen Migräne ihre Zimmer zu hüten, und verwehrte außer Berlinde jedermann den Zutritt. Erst am Dienstagnachmittag war sie bereit, ihren Pflichten als Hausherrin nachzukommen, und hielt ihre übliche Gesellschaft ab. Marie-Anna nahm auf den ausdrücklichen Wunsch des Kommerzialrates daran teil. Madame war das sichtlich nicht recht, sie machte zwar keine Bemerkungen, streifte sie nur einmal mit einem giftigen Blick und ignorierte sie ansonsten völlig.
    Faucon traf am späteren Nachmittag ein, und Marie-Anna, die Rosemarie heimlich beobachtete, sah alle ihre Vermutungen bestätigt. Die Rose erblühte unter seiner herzlichen Begrüßung, und beide fanden immer wieder eine Möglichkeit, leise Gespräche miteinander zu führen. Auch Markus Bretton kam in einer seiner farbenprächtigen Westen und mit einem strahlenden Lächeln in den Salon. Er widmete sich Marie-Anna für eine Weile.
    »Dieser ländliche Teint steht Ihnen bezaubernd, Marie-Anna. Wie tief durften sich die beneidenswerten Sonnenstrahlen wagen?«, fragte er mit einem frechen Blick auf ihr Dekolleté.
    »Das Tagesgestirn, Monsieur, fand mich stets züchtig bedeckt vor.«
    »Und das Nachtgestirn, meine Liebe?«

    »Ebenso. Gleich wie die Planeten und Fixsterne des Himmels, falls Sie weiterfragen sollten.«
    »Den fernen Gestirnen schenken Sie also nicht Ihre Gunst, Mademoiselle. Wie steht es mit den irdischen Wesen?«
    »Verlangen Sie wirklich eine Antwort von mir, Monsieur Bretton?«
    Er zwinkerte ein wenig unverschämt mit einem Auge.
    »Mir scheint, Madame ist etwas verschnupft. Sonst überwältigt sie ihre Gäste doch immer mit ihrer Leutseligkeit. Trägt Ihr blühendes Aussehen eventuell die Schuld daran? Oder die unglaubliche Veränderung, die man an dem geschätzten Kommerzialrat wahrnehmen kann?«
    »Ich denke eher, es handelt sich um eine vorübergehende Indisposition. Wir haben alle unsere Launen, Monsieur Bretton. Seien Sie großmütig.«
    »Natürlich. Ich werde ihr morgen zur Aufheiterung eine Schachtel Marzipan-Bonbons schicken. Oder besser noch ein Fläschchen Himbeerliqueur.«
    »Ihnen scheint Liqueur angemessen?«
    »Aber sicher doch, Marie-Anna. Haben Sie es tatsächlich noch nicht gemerkt? Madame säuft!«
    Marie-Anna schwieg. Es war im Grunde nicht zu vermeiden gewesen, das zu bemerken. Die wechselnden Launen, die gelegentlichen Kopfschmerzen, die verdösten Stunden des Nachmittags, der anschließende Konsum starken schwarzen Kaffees waren typische Anzeichen dafür.
    Markus Bretton holte sie aus ihren Überlegungen zurück und fragte: »Und Ihnen, meine Schöne? Darf ich Ihnen ebenfalls etwas schicken, um Sie geneigt zu machen?«
    Marie-Anna lachte leise auf: »Sie geben nie auf, Monsieur, nicht wahr?«

    »Nun, ich habe einmal von der Quelle trinken dürfen, und nun begehre ich mehr und mehr nach dieser Labung.«
    »Ach, ich glaube, es gibt reichlich labende Tränke für einen Mann wie Sie in dieser Stadt, Markus.«
    »Sie versiegen nach und nach. Sehen Sie, selbst die scheue Rosenknospe hat ihre Blütenblätter entfaltet und ihr Herz geöffnet.«
    »Sie versuchen sich als Poet?«
    »Ich versuche, einem anderen Poeten zuvorzukommen, Mademoiselle.«
    »Nanu? Welchem Poeten?«
    »Einem mit erlesen spitzer Zunge, der Sie schon einmal fast ins Unglück gestürzt hat, Marie-Anna.«
    »Wenn Sie Jules meinen, so besteht da keine Gefahr.«
    »Nein? Dann ist es ja gut. Oh, was hat unser verehrter Sous-Préfet denn mit Madame angestellt? Wenn es nicht unpassend wäre, eine solch achtbare Matrone mit einem Suppentopf zu vergleichen, so würde ich sagen, gleich schäumt sie über.«
    Rosemarie erzählte es Marie-Anna etwas später, was Faucon getan hatte. Er hatte in lockerem Gesprächston etwas über den französischen Adel erzählt und über gewisse Seitenlinien, die sich bis hin zu der berühmten Gattin Ludwigs des XII. erstreckten, der charmanten und beliebten Herzogin Anne de Bretagne. Mit einem kleinen eleganten Hinweis erwähnte er, wie glücklich sich Madame doch schätzen könne, dass ihre Tochter von einer jungen Frau unterrichtet werde, in deren Adern dieses blaue

Weitere Kostenlose Bücher