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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ich ihnen allen nun in dieser Welt wieder zu begegnen scheine.«
    »Die alten Märchen aus meiner Heimat sprechen von diesen Gestalten, die in den Feenreichen leben.«
    »Das Feenreich – auch ein Begriff, den man für diese andere Welt der Träume verwenden kann. Die Versuchung war groß, dort zu bleiben und nicht erneut in die raue Wirklichkeit zurückzukehren, von der ich wusste, dass mich Schmerz und Leid erwarteten. Dann aber, eines Nachts, traf ich eine Gestalt, eine junge Frau, umgeben von Licht und Süße, die mich bat, sie zu begleiten. Sie nahm mich – oder vielleicht meine Seele – an die
Hand, und gemeinsam wachten wir in dieser Welt auf.« Valerian sah über die Zinnen des Turmes und das dunkle Land. »Sie war nicht mehr bei mir, als ich mein Bewusstsein wiedererlangte. Doch jetzt weiß ich, dass sie lebt.« Er stellte sich hinter sie und legte die Arme um sie. »Ich habe mich nach dir gesehnt, Anna. Ich liebe dich.«
     
    In der letzten Oktoberwoche kamen Ursula Raabe und Berlinde zurück nach Köln, und der Haushalt nahm seine alten Gepflogenheiten wieder auf. Marie-Anna hielt sich sehr zurück und vermied jeden engeren Kontakt zu Valerian. Er gab sich ebenfalls förmlich und distanziert. Das Personal enthielt sich erstaunlicherweise jeglichen Klatsches.
    Der Besuch des Kaisers und seines Gefolges brachte es mit sich, dass Raabes einige Veranstaltungen besuchen mussten, auf denen wichtige geschäftliche und gesellschaftliche Kontakte geknüpft wurden.
    Valerian Raabe hatte Marie-Anna gebeten, ihn an ihrem freien Tag in seinem Kontor aufzusuchen, um ungestört mit ihr reden zu können.
    »Ich würde lieber mit dir an meiner Seite diese Diners und Bankette besuchen, Marie-Anna. Aber im Moment können wir uns keinen Skandal leisten. Doch ich verspreche dir, wenn der napoleonische Spuk vorbei ist, werde ich sehr schnelle und konsequente Schritte unternehmen, um die Trennung von Ursula vorzunehmen.«
    »Sie wird sich wehren.«
    »Sie kann sich nicht wehren. Keine Sorge, sie wird eine großzügige finanzielle Regelung durchaus akzeptieren. Ich kenne ihr habgieriges Wesen gut. Und ich habe genug gegen sie in der Hand, um ihre Einwilligung zur Scheidung nötigenfalls zu erzwingen. Ich schlage jedoch
vor, du ziehst mit Graciella, solange die Verhandlungen laufen, auf das Gut zu meinen Eltern.«
    »Was werden sie dazu sagen?«
    »Ich denke, meine Mutter weiß es schon. Sie mag dich, Anna. Und ich werde versuchen, euch so oft wie möglich zu besuchen.«
    »Vielleicht sollte Rosemarie auch mitkommen? Die Stimmung hier wird nicht besonders gut sein. Sie sah heute Morgen entsetzlich niedergeschlagen aus.«
    »Ich werde sie fragen. Ihre Niedergeschlagenheit ist erklärlich. Faucon hat bei ihrem Vater vorgesprochen. Gestern. Er hat eine schroffe Abfuhr erhalten.«
    »Das war zu befürchten. Arme Rosemarie.«
    »Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.« Valerian grinste sie an. »Unterschätzt Faucon nicht!«
    »So etwas hat er von dir auch behauptet. Aber Rosemarie ist nicht der Typ, etwas Unkonventionelles in Erwägung zu ziehen.«
    »Glaubst du? Sie ist die Tochter meiner Schwester.«
    »Ich werde sie überreden, mit uns zu deinen Eltern zu fahren.«
    »Tu das.«
    »Und, Valerian, es sind wieder Gegenstände aus der Sammlung verschwunden. Diesmal ist der Dieb dreist geworden. Es fehlen eine Kette mit Anhänger und zwei Ringe, einer davon mit einem großen Rubin.«
    »Der Sache gehe ich in der nächsten Woche nach. Mein Verdacht scheint sich zu bestätigen.«
    »Genau wie meiner.«

31. Kapitel
    Ein Kaiser auf Abwegen
    Er trug eine schlichte, grüne Uniform ohne Orden und Ehrenabzeichen. Ein weiter, grauer Mantel schützte ihn gegen die Kälte, der hochgeschlagene Kragen verdeckte sein Gesicht, und der schwarze Zweispitz war tief in die Stirn gezogen. Langsam wandelte er in der Dämmerung durch den Garten des vornehmen Privatpalais. Dort entdeckte er ein Schlupfpförtchen, das auf die Straße hinaus führte. Vorsichtig bewegte er den Knauf. Es war nicht verriegelt, und leise, sehr leise, damit kein Knarren und Quietschen die Aufmerksamkeit der Wachen auf ihn lenkten, zog er es auf und schlüpfte hinaus.
    Das Altgrabengässchen lag weitgehend im Dunkel. In diesen ärmeren Stadtbezirken waren Laternen selten. Das Pflaster war uneben, Unkraut wuchs zwischen den Steinen, und der lange Mantel streifte durch den Unrat, der auf der Straße lag. Die Häuser waren alt, viele Fenster glaslose Höhlen, nur mit Decken

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