Der Lilienring
sie. Er war mein Mann. Nehmt das bitte alle zur Kenntnis. Mein Mann! Mich hat er geheiratet, nicht diese heuchlerische Schlampe Sophia, nicht diese hinterhältige Hure hier. Mich! Und darum hab’ ich dafür gesorgt, dass er bei dir keinen mehr hochkriegt.«
»Mit deinen Beruhigungsmitteln, nicht wahr?«, fragte ich sanft.
»Jawohl, mit den Beruhigungsmitteln. Hat doch gewirkt, Denise, was?«
»Ja, sie haben gewirkt, Frau Kaiser. Sehr gut gewirkt.«
»Mit tut es besonders weh, dass du ausgerechnet die Bonbondose nehmen musstest, die ich ihm geschickt habe.«
Sie starrte mich an, Wut blitzte in ihren Augen auf.
»Du mit deinen blöden Dosen. Er hat sie aufgehoben, jede einzelne. Darum habe ich ja die Bonbons auch immer da reinfüllen müssen, die ich für ihn gemacht habe. Aber jetzt sind die Dosen fort, auf dem Müll gelandet, zerquetscht, kaputt.«
»Bis auf diese hier.«
Ich zeigte ihr die besagte Dose. Und Uschi schien in ihrem von Wut vernebelten Hirn etwas zu dämmern. Sie wollte sie mir aus der Hand reißen, aber Kommissarin Frederika war schneller und stand zwischen uns.
»Was möchten Sie mit der Dose, Frau Kaiser?«
»Wegwerfen. Sie soll weg. Ich kann diese verdammten Dosen nicht mehr sehen. Sie waren sein Unglück!«
»Nicht die Dosen, die Bonbons, Uschi. Die du ihm mit Beruhigungsmitteln versetzt hast. Aus deiner eigenen kleinen Auswahl, nicht wahr?«
»Na und? War das nicht mein Recht? Er hat mich betrogen.«
Sie stand vor mir, das Gesicht verzerrt, die Hände wie zu Krallen gebogen.
Ich sah ihr in die Augen und sagte langsam und traurig: »Du hast ihn damit umgebracht. Es wird Zeit, dir das endlich einzugestehen. Du hast den Mann, den du ausschließlich für dich beansprucht hast, mit deiner Besitzgier umgebracht. Du, meine Mutter, hast den Tod meines Vaters, den ich geliebt und bewundert habe, zu verantworten.«
»Du hast den Tod meines Vaters, den ich geliebt und bewundert habe, zu verantworten!«, sagte auch Rose und stand neben mir.
»Sie haben den Tod des Mannes zu verantworten, den ich geliebt und bewundert habe«, sagte Denise und stand an meiner anderen Seite.
Uschi sah stumm von einer zur anderen. In ihrem Gesicht kämpfte es. Dann lösten sich die verkrampften Finger, sie schwankte leicht. Kommissarin Frederika trat neben sie, um sie zu stützen, doch sie hielt sich aus eigener Kraft aufrecht. Ihre Schultern sackten plötzlich nach unten, ihre Lippen zitterten.
»Ja«, seufzte Uschi schließlich tonlos. »Ja, ich habe seinen Tod zu verantworten.«
Ich atmete tief ein. »So ist es, Mutter. Dr. Schneider wird einen Anwalt für dich besorgen.«
»Verschwinde.«
»Natürlich.«
Denise, Rose und ich verließen das Haus. Der im Wagen vor der Tür wartende Kommissar stieg aus und sah uns fragend an. Ich hielt ihm die Haustür auf.
»Kommt mit zu mir«, forderte Rose uns auf.
Als wir zusammensaßen, ergriff Denise das Wort.
»Wahrscheinlich wird ihr nicht viel geschehen. Das, was eben passiert ist, wird möglicherweise nicht als Geständnis gewertet. Ein guter Anwalt kann da viel machen. Aber euch beide entlastet es endlich.«
»Ja, uns entlastet es. Aber wir werden noch eine gewaltige Schmutzkampagne über uns ergehen lassen müssen.«
»Am besten, ihr verschwindet für ein paar Wochen. Irgendwo in eine abgelegene Ecke der Welt, wo euch niemand kennt.«
Rose nickte und meinte mit einem Schmunzeln: »Ja, ans Ende der Welt, Anita, nicht wahr?«
Kläglich war es, aber es gelang auch mir ein Lächeln.
»Dort soll es sehr schön sein.«
»Ihr habt anscheinend schon ein bestimmtes Ziel vor Augen?«
»Ja, Denise. Das Finistère.«
»Oh, das ist perfekt. Dort gibt es einsame Flecken, und ein Haus könnt ihr jetzt, vor den Ferien, sicher jederzeit mieten.«
»Ja, Rose. Verschwinden wir von der Bildfläche. Für alle, nicht nur die Presse. Auch für Staatsanwälte und Antiquitätenhändler.«
»O ja. Ohne Angabe von Adressen und Telefonnummern.«
»Ich habe den Eindruck, ihr möchtet mit eurem Verschwinden noch einen weiteren Zweck verbinden.«
»Richtig, Denise.«
»Ich nehme weiterhin an, nicht Staatsanwälte und Antiquitätenhändler im Allgemeinen, sondern im Besonderen sind gemeint.«
»Du bist sehr scharfsinnig!«, stellte ich fest. »Den einen, glaube ich, kennst du sogar.«
»Entschuldige, aber mit Staatsanwälten habe ich, Gott sei Dank, noch nichts zu tun gehabt.«
»Aber mit seinem Onkel, Denise. Er hat dir mal das Esszimmer eingerichtet. Und so
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