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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Marie-Anna?«
    »Er könnte Mitglied einer gewissen geheimen Vereinigung sein.«
    »Der Franc-Maçons? Natürlich, Mademoiselle. Er ist der Meister unserer Loge.«
    Marie-Anna blieb der Mund offen stehen.
    »Verwundert Sie das so sehr? Valerian Raabe ist ein Mann, dem dieses Gedankengut sehr entgegenkommt. Die Freimaurer sind keine geheime Gesellschaft, die sich mit düsteren, magischen Ritualen befasst, sondern ein exklusiver Club, der sich für Toleranz, Wohltätigkeit und freiheitliches Denken einsetzt.«
    »Zu dem auch Sie gehören.«
    »Sicher. Genau wie Seine Majestät, der Kaiser Napoleon.«
    »Manchmal frage ich mich, warum Sie mich zu ihm geschickt haben!«

    »Um herauszufinden, wer in seinem Haus Schmuck entwendet, wie Sie wissen.«
    »Und Schmuggelware besorgt. Bohnenkaffee, Rohrzucker, bestimmte Teesorten...«
    »Gibt es die?«
    Marie-Anna zögerte ein wenig, dann erklärte sie: »Ja, gelegentlich. Nicht in großem Umfang. Möglicherweise beschafft sie die Haushälterin auf dem schwarzen Markt. Mit Duldung und Wissen des Hausherren.«
    »Schwerlich.«
    »Ja, glauben Sie denn, Valerian Raabe betreibt selbst Schmuggelgeschäfte, Monsieur?«
    »Mademoiselle, ich glaube es nicht. Ich weiß es.«
    »Ja...aber...?« »Nicht in solch kleinen Dimensionen wie ein Säckchen Kaffee oder ein Bündel Tabak. Was denken Sie wohl, welcher Art die Geschäfte sind, die er auf seiner derzeitigen Reise durch die deutschen Hansestädte tätigt?«
    »Ja... aber U...?«
    »Warum ich nicht einschreite? Nun, wer mit verbotener Ware handelt, erfährt auch Nachrichten, die ansonsten nicht über die Grenze kommen. Ich muss informiert sein, Mademoiselle.«
    »Heilige Anna, Mutter Mariens!«
    »Aber was ich nicht weiß, ist, wer die kleinen, schmutzigen Geschäfte in seinem Haus abwickelt. Er selbst würde nie die Ungeschicklichkeit begehen, offen Konterbande in seiner Umgebung zu dulden.«
    »Ja, aber um Himmels willen, warum kann er das nicht selbst herausfinden?«
    »Weil er – wie Sie schon feststellten – ein integerer Mann ist. Ich bezweifle, dass er ein Mitglied seines Haushaltes bloßstellen würde.«
    In beträchtlicher Verwirrung verließ Marie-Anna diesmal die Sous-Préfecture.

    Doch wenige Tage später kam sie zumindest einer Quelle von Schmuggelwaren auf die Spur. Es war an ihrem freien Nachmittag, dem Donnerstag vor Karneval. Sie selbst hatte in diesem Jahr keine große Lust, sich dem närrischen Treiben anzuschließen, und wollte die Tageslichtstunden damit verbringen, oben im Schulzimmer an dem Nachthemd zu nähen, das sie aus dem feinen Leinenstoff zugeschnitten hatte, der Weihnachten in ihrem Zimmer gelegen hatte. Mit ihrem Handarbeitskorb am Arm trat sie in das helle Zimmer und blieb plötzlich erstaunt stehen. Zwischen bunten Samt- und Seidenstoffen kauerte ein Mädchen und schluchzte herzerweichend.
    »Was machen Sie denn hier?«
    Ein verquollenes, sehr junges Gesicht tauchte aus den vorgehaltenen Händen auf, und mit sehr deutlichem französischem Akzent antwortete die Kleine: »Isch bin die Lehrling von die Couturière.« Dann schnupfte sie wieder. Marie-Anna fragte: »Was ist geschehen, dass du so in Tränen aufgelöst bist?«
    »Oh, Mademoiselle.... Ich’abe das hier falsch gemacht, und Madame will, dass es heute noch fertig wird. Es ist ihr Kostüm für den Maskenball. Aber ich schaffe es nicht, meine Finger sind schon ganz weh.« Sie zeigte Hände mit roten, geschwollenen Gelenken an den Knöcheln vor. »Sie wird nicht bezahlen, und die Meisterin wird mir den Lohn kürzen.«
    Marie-Anna wusste nur zu gut, wie das war. Sie wechselte ins Französische über und fragte: »Was ist denn mit dem Kleid? Was soll es werden?«
    »Madame will eine Robe wie eine orientalische Dame. Mit solchen weiten Hosen und einem kurzem Jäckchen. Ich habe es zu eng gemacht, meine Meisterin hat nicht gut gemessen. Ich muss alles auftrennen und sehen, wie ich es weiter machen kann.«

    Marie-Anna nahm die beiden Kleidungsstücke zur Hand und betrachtete sie.
    »Mehr Samtstoff hast du nicht von dieser Farbe?«
    »Nein, und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Aber ich. Nimm von dem Taft und setz Streifen ein. Und hör auf zu schniefen. Wie heißt du?«
    »Suzette.«
    »Suzette, ich kann ganz ordentlich nähen. Eigentlich wollte ich mein eigenes Hemd fertig machen, aber nun helfe ich dir halt ein wenig. Also, schau, wir machen es so!«
    »Mademoiselle, danke. O danke!«
    Sie stichelten gemeinsam an den voluminösen

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