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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Zuchthaus sollen die Bedingungen noch ein wenig härter sein als in meinem Haus. Ich verstehe Ihre Entscheidung.«
    »Herr Kommerzialrat?«
    »Darum Ihre etwas heftige Reaktion, als ich bei unserer ersten Unterhaltung von Mäßigkeit sprach.«
    »Ja, ich... ich befürchtete das Schlimmste.«
    »Es ist wohl nicht eingetreten, oder?«
    »Sie führen ein sehr angenehmes Haus, Herr Kommerzialrat.«
    »Danke, Mademoiselle. Aber wäre es nicht eventuell ein Akt des Vertrauens gewesen, wenn Sie mich über Ihre Aufgabe gleich zu Beginn informiert hätten?«
    »Herr Kommerzialrat, ich vertraue niemandem mehr.«
    »Doch. Rosemarie.«

    »Nicht von Anfang an. Inzwischen habe ich sie gut kennen gelernt. Sie ist es nicht, die die Stücke entwendet. Aber sie weiß nichts von meiner Aufgabe. Denn Faucon hat mir Stillschweigen über meinen Auftrag auferlegt. Auch Ihnen gegenüber.«
    »Sie haben es jetzt gebrochen. Warum?«
    »Weil wir so nicht weiterkommen. Das werde ich ihm genau so berichten. Alleine kann ich die Aufgabe nicht lösen.«
    »Warum haben Sie nicht mit Ihrer Freundin Rosemarie darüber gesprochen?«
    »Ich will sie nicht damit belasten.«
    »Woher kommt Ihr plötzliches Vertrauen mir gegenüber?«
    »Weil ich Sie nicht für einen Mann halte, der sich mit derartig dubiosen Mitteln gegen die Obrigkeit auflehnt.«
    »Was gibt Ihnen da Gewissheit?«
    »Monsieur Raabe!« Marie-Anna hatte ein kleines Lächeln um ihre Mundwinkel zucken. »Ihre Methoden halte ich, wenn, dann für bedeutend feinsinniger.«
    Valerian Raabe musste einen leichten Hustenanfall überwinden, bevor er weitersprechen konnte.
    »Ich kann Ihnen versichern, Mademoiselle, Ihr Eindruck trügt Sie nicht. Und nun – wer bestiehlt mich?«
    »Ich weiß es nicht. Es gibt mehrere Möglichkeiten, keine davon würden Sie gerne hören.«
    Er nickte. »Stimmt. Wie viel weiß Faucon?« Marie-Anna berichtete über die drei identifizierten Schmuckstücke und erinnerte ihn an den Siegelring.
    »Haben Sie alle Kataloge durchgesehen?«
    »Nein. Ich musste zu einer Ausrede greifen, um sie von Professor Klein überhaupt zu erhalten.«
    »Ich werde Anweisung geben, dass Sie zu allen Zugriff haben. Ich bin bedauerlicherweise die nächsten zwei,
drei Monate auf Reisen. Nutzen Sie die Zeit, um vorsichtig Ihre Nachforschungen weiterzutreiben. Der Dieb sollte sich noch für eine Weile in Sicherheit wiegen. Aber halten Sie Faucon auf dem Laufenden. Ich will darauf sehen, dass er die Empfangstage von Madame demnächst häufiger aufsucht.«
    »Sie werden mich nicht entlassen, Herr Kommerzialrat?«
    »Wegen Ihrer rebellischen Vergangenheit? Gelegentlich war ich schon mal versucht, Ihre Widersetzlichkeiten zu korrigieren, aber – nein, Mademoiselle. Auch ich habe Sie beobachtet und kennen gelernt. Ich persönlich halte es für unklug, Machthaber zu reizen. Aber ich kann genauso einem heißblütigen und geistreichen Geschöpf nachfühlen, mit dem der Übermut durchgeht. Manche der Herren sind überempfindlich. Und wenn Sie gestohlen haben, Mademoiselle, dann vermutlich aus einem Grund, der nichts mit persönlicher Bereicherung zu tun hat. Habe ich Recht?«
    Marie-Anna senkte den Kopf.
    »Es war in der Boutique in der Hohen Straße. Ich hatte ein Zimmerchen mit einer Kollegin zusammen, im Hinterhof. Sie erkrankte. Wir wurden nicht besonders gut bezahlt, Monsieur Raabe, und ich war gezwungen, Essen für uns beide zu besorgen.«
    »Diese Besorgungen führten zur Entlassung?«
    »Und zu einer Anklage wegen Diebstahls. Das war vor drei Jahren.«
    »Sie bleiben in meinem Haus. Sie werden allen anderen Mitgliedern des Haushaltes weiterhin absolutes Schweigen über Ihren Auftrag bewahren. Auch Rosemarie gegenüber. Ich werde gleich noch einmal mit ihr reden. Machen Sie sich darum also keine Gedanken.«
    »Danke, Herr Kommerzialrat. Aber – haben Sie einen Verdacht, wer die Pretiosen an sich nimmt?«

    »Den habe ich, aber ich werde ihn Ihnen nicht mitteilen. Wir brauchen belastende Beweise, keine Vermutungen. Doch wenn Sie während meiner Abwesenheit etwas herausfinden sollten, möchte ich Sie bitten, auf niemanden Rücksicht zu nehmen, sondern sich vorbehaltlos Faucon anzuvertrauen. Er ist ein guter Mann.«
    »Ja, das ist er.«
    »Und extrem scharfsinnig, Marie-Anna.«
    »Ich weiß.«
    »Lebt Ihr Vater noch?«
    »Soweit ich weiß, ja. Er war an dem Attentat auf den Kaiser beteiligt, wurde zwar gefasst, wie viele andere, doch nicht wie sie hingerichtet. Sein Schicksal ist mir unbekannt.

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