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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Meine Mutter hingegen ist gestorben, aber soweit ich informiert bin, lebt mein kleiner Bruder noch.«
    »Wo?«
    »Wahrscheinlich in der Obhut der Familie unseres Verwalters. Chateau Kerjean ist jedoch für uns verloren.«
    Valerian Raabe stand auf und trat neben den Sessel, in dem sie saß. Er legte ihr die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht.
    »Sie haben einen langen Weg hinter sich, Marie-Anna.«
    »Ja.«
    »Verlieren Sie die Hoffnung nicht. Und nun schicken Sie Rosemarie herunter.«
    Es war dem Kommerzialrat ganz offensichtlich gelungen, seine Nichte wieder zu beruhigen, denn anschlie ßend arbeitete sie zwar schweigsam, aber mit ruhiger Hand an den Zeichnungen.

19. Kapitel
    Erste Spuren
    Zwei Wochen später saß Marie-Anna wieder bei Faucon, um ihren monatlichen Bericht abzuliefern. Diesmal hatte sie mehr als genug zu berichten.
    »Sie haben also Ihrem Arbeitgeber Ihre Herkunft und Ihre Aufgabe in seinem Haus offenbart. Er sprach vor seiner Abreise mit mir.«
    »Es blieb mir nichts anderes übrig.«
    »Scheint so. Sie werden mich demnächst häufiger in seinem Haus antreffen. Gibt es mehr zu berichten?«
    »Zwei Dinge, Monsieur Faucon. Erstens – Sie wünschten, ich solle mir Klarheit über Rosemaries Eltern verschaffen. Nun, die Geschichte ist ungewöhnlich.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Rosemarie lebt in dem Glauben, ihre Mutter sei vor Jahren bei einem plötzlichen Unfall ums Leben gekommen. Ein schwer beladenes Brauereigefährt habe sie auf der Straße überrollt, als sie vom Besuch einer Nachbarin zurückkam, erklärte man ihr. Rosemarie war damals sechzehn. Sie hat die Tote weder gesehen, noch hat sie an der Beerdigung teilgenommen. Ihr Vater, Professor Klein, hat es verhindert.«
    »Bezweifeln Sie es?«
    »Ja, ich bezweifle es. Ihre Mutter, Cosmea, die jüngere Schwester von Valerian Raabe, ist trotz ihres tödlichen Unfalls durchaus in der Lage, Briefe an ihren Bruder zu schreiben.«
    »Tatsächlich! Werden spiritistische Sitzungen in Raabes Haus durchgeführt?«

    »Nicht dass ich wüsste. Der irdische Postdienst bringt diese Schreiben aus dem westlichen Frankreich, genauer gesagt aus Bordeaux.«
    Marie-Anna hatte Faucon noch nie eine Gemütsregung äußern sehen, doch jetzt spiegelte sein Gesicht eine gelinde Überraschung wider.
    »Das ist eine Neuigkeit. Wie fanden Sie es heraus?«
    »Ich habe, dank eines ausführlichen Gesprächs mit dem Kommerzialrat, Zugang auch zu seinen privaten Unterlagen. Es geht im Prinzip nur um Papiere, die die Sammlungen betreffen, doch ein verirrter Brief fand sich darunter. Ich habe ihn natürlich nicht an mich genommen und auch nicht kopiert. Er war vom Inhalt her eher nichts sagend, bezog sich auf alltägliche Vorkommnisse im Hause eines Monsieur Jacques Roissaint. Es scheint da auch zwei weitere Kinder zu geben, was den Schluss nahe legt, die Frau des Professors habe wohl in jenem Jahr 1798 die Stadt Köln mit besagtem Herren verlassen. Sie werden das sicher überprüfen lassen können.«
    »Das werde ich. Nun, das erklärt gewiss die menschenfeindliche Haltung des Professors. Haben Sie mit seiner Tochter darüber gesprochen?«
    »Nein, obwohl ich es gerne täte. Sie hing sehr an ihrer Mutter.«
    »Tun Sie es auf keinen Fall. Raabe wird es machen, wenn es ihm opportun erscheint. Was gibt es noch?«
    »Dass die von Ihnen sichergestellte Kamee aus der Sammlung Raabe stammt, wissen Sie sicher schon.«
    »Ja, auch das war Bestandteil unseres Gesprächs. Haben Sie weitere Dinge gefunden?«
    »Nein, obwohl ich jetzt so gut wie alle Kataloge durchgesehen habe.«
    »Sie sprachen von zwei Dingen, die Ihnen berichtenswert erschienen.«
    »Ja. Das zweite beunruhigt mich mehr.«

    »Warum?«
    »Es betrifft den Kommerzialrat selbst.«
    »Ein Mann mit vielen Kontakten und vielen Interessen, nicht wahr?«
    »Richtig. Ich halte ihn noch immer für integer, Monsieur Faucon. An Sabotage oder Aufwiegelei ist er nicht beteiligt. Auch nicht indirekt.«
    »Wahrscheinlich nicht. Was also beunruhigt Sie?«
    »Er widmet sich ungewöhnlichen – mh – Wissensgebieten.«
    »Welchen, Marie-Anna? Staatsfeindlichen?«
    »Nein, das glaube ich nicht. Äh – eher okkulten, glaube ich.«
    »Wunderlich, für einen derart nüchternen Geschäftsmann. Was lässt Sie darauf schließen?«
    »Ich habe eine Abhandlung über die Kabbala bei ihm gefunden und recht – symbolisches – Werkzeug.«
    Der Sous-Préfet erlaubte sich ein feines Lächeln.
    »So, so. Wohin tendiert Ihr Verdacht,

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