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Der Lilienring

Titel: Der Lilienring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ja? Bist du schon mal von hier nach Köln geritten?«
    »Mit Papa, vor zwei Jahren. Alleine würde ich das nicht machen.«
    »Das ist wohl sehr klug. Traust du dich, im Trab zu reiten?«
    »Klar!«
    Hungrig kamen sie am Nachmittag zurück und hatten das Pech, Berlinde unter die Augen zu geraten, die mit Guenevere und Yannick durch die Felder spaziert war.
    »Graciella! Was muss ich da sehen! Komm sofort von dem Pferd herunter!«
    »Wenn wir im Hof sind, Tante Berlinde!«
    »Sofort, Mädchen. Auf der Stelle! Was fällt dir ein, in dieser schamlosen Haltung auszureiten. Ich muss ja wohl nicht fragen, wer dich dazu veranlasst hat. Mamsell, das wird Konsequenzen haben!«
    »Natürlich, Frau von Spangenberg! Aber erst im Hof.«
    Marie-Anna ritt voraus, Graciella folgte ihr kleinlaut.
    »Sie wird es Papa hinterbringen.«
    »Wird sie, und ich werde mit ihm reden, keine Sorge, Ciella.«
    »Er kommt am Sonntag.«
    »Schön, dann habe ich ja Zeit, meine Rede auswendig zu lernen.«
    Graciella kicherte schon wieder.

    Die erste Woche hatten die Großeltern Kinder, Mädchen und junge Frauen ihren eigenen Vergnügungen überlassen, aber am Freitag hieß es, Aufgaben zu übernehmen. An dem großen Tisch in der Essstube hielt Großmutter Raabe ihre Ansprache.
    »Ein Haushalt wie dieser hat nicht so viele Bedienstete, die für euer Wohl sorgen können, wie ihr es in der Stadt gewöhnt seit. Also werdet ihr, wie jedes Jahr, einige Arbeiten übernehmen, damit unsere Mägde sich um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern können. Die Erntezeit steht an, und sie werden alle Hände voll zu tun haben. Den Vormittag werdet ihr mit euren Pflichten verbringen, den Nachmittag könnt ihr dann wieder für eure Unternehmungen nutzen.«
    Marie-Anna nickte verständnisvoll. Sie hatte durchaus nichts dagegen, im Haushalt mitzuhelfen.
    »Darf ich im Stall arbeiten?«, fragte Graciella.
    »Nein, Kind, du wirst diesmal bei der Wäsche helfen. Es schadet nichts, wenn ein junges Mädchen lernt, wie man Leinen bleicht und Hemden bügelt.«
    »Auch gut, Großmama.« Graciella war es zufrieden.
    »Yannick und Guenevere, ihr kümmert euch um das Federvieh! Ihr habt die Hühner zu füttern, die Eier zu suchen und die Gänse am Teich zu hüten.«
    »Ihh, nein, die Gänse zwicken!«, jammerte Guenevere.
    »Dann wirst du lernen, dir Respekt zu verschaffen!«, ermutigte sie der Großvater und zwinkerte ihr zu. »Ich zeig dir, wie.«
    »Rosemarie, du hilfst mir im Garten.«
    »Ja, gerne Großmutter.«
    »Und Sie, Fräulein Marie-Anna, was möchten Sie übernehmen?«
    »Vielleicht für die Pferde sorgen? Oder Wäsche waschen und flicken. Ich kann auch bei der Erntearbeit helfen,
wenn Sie möchten. Melken kann ich leider nicht so gut.«
    »Sie haben keine Angst vor groben Arbeiten?«
    »Nein, gnädige Frau. Ich bin auf einem Gut aufgewachsen.«
    Der alte Herr nickte anerkennend, und die Hausherrin lächelte sie wohlwollend an.
    »Was halten Sie davon, unserer Köchin Helga in der Küche zu helfen, Fräulein Marie-Anna?«
    »Das würde mir gefallen, gnädige Frau. Ich habe gesehen, sie backt das Brot selbst. Das würde ich gerne lernen. Aber bitte, könnten Sie nicht aufhören, mich so förmlich mit Fräulein anzureden? Ich komme mir ein wenig ausgeschlossen vor.«
    »Aber gern, Marie-Anna. Dann lassen Sie auch die vornehme Anrede der gnädigen Frau fallen, Kind. Wir sind hier eine große Familie. Fühlen Sie sich ganz zugehörig.«
    »Du solltest sie Grandmère nennen, Marie-Anna. Das hört sich sehr würdig an.«
    »Ciella gibt mit ihren Französischkenntnissen an!«, zog Rosemarie sie auf und stupste das Mädchen in die Seite.
    »Also, ich wäre damit einverstanden!«
    »Danke, wenn Sie es wünschen, werde ich Sie gerne so anreden, Grandmère.«
    »Ach ja, eure Zimmer werdet ihr selbst in Ordnung halten. Alle, ohne Ausnahme. Auch Sie, Berlinde.«
    Berlinde, die keine weitere Aufgabe erhalten hatte, sah missmutig drein.
    »Ich habe mich um meine beiden Kinder zu kümmern, Frau Raabe. Das lastet mich völlig aus.«
    »Ich glaube nicht, dass ein wenig Bettenmachen und die Kammer fegen Sie überfordern. Die Mägde haben wirklich Besseres zu tun, als Ihnen hinterherzuräumen.«
Helga, die Köchin, war umgänglich, wenn auch ein wenig schwatzhaft. Außerdem probierte sie gerne alles, was sie zubereitete, und hatte sich dadurch über die Jahre hinweg eine stattliche Figur zugelegt. Allerdings war sie dazu unglaublich kräftig, und Marie-Anna bewunderte, mit welcher Ausdauer

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