Der Lilith Code - Thriller
sofort um. Der Rabbi legte die Papiere auf den Tisch vor sich. »Das sind die Satellitenbilder.« Er schob mehrere Seiten zu Robinson, der sie nahm und sehr nah an seine Augen hielt.
»Sind Ihre Männer wirklich in der Lage, diese Aktionen durchzuführen? Sie sind mehr als heikel.«
Robinson warf vier Zuckerstücke in seinen Tee, rührte ihn um und nickte nur kurz. »Meine Leute sind die besten, die sie sich vorstellen können. Und die Sache wird gewohnt professionell gehandhabt. Haben Sie die Daten dabei?«
Der Rabbi blätterte in seinem Stapel. »Hier, die Maschine wird gegen elf Uhr in Tel Aviv erwartet. Dann bleiben vermutlich nur wenige Stunden. Ich werde vielleicht vor Ort sein.« Er lächelte. »Das werden Sie bestimmt verstehen.«
Robinson nickte langsam. »Meine Männer sind schon vor Ort. Wir sehen uns am Jüngsten Tag, Schalom, Rabbi.«
Der Alte verstand, erhob sich und verabschiedete sich. Als er wieder im Fond saß, atmete er erst einmal durch und dankte Gott. Dann wies er den Fahrer an: »Nach Jerusalem, um elf Uhr beginnt die Kabinettssitzung. Und wir wollen unseren Premier nicht warten lassen.«
Ghom, 22. 06., 8.06 Uhr
Als das Lamm das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite Lebewesen rufen: Komm! Da erschien ein anderes Pferd; das war feuerrot. Und der, der auf ihm saß, wurde ermächtigt, der Erde den Frieden zu nehmen, damit die Menschen sich gegenseitig abschlachteten. Und es wurde ihm ein großes Schwert gegeben.
Offenbarung des Johannes, Kapitel 6, Vers 3
Die Stadt Ghom im Iran ist so etwas wie das spirituelle Zentrum der radikalen Schiiten des Landes. Der Wallfahrtsort ist neben Nadschaf im Nachbarstaat Irak Grabstätte für verschiedene Heilige und Märtyrer der schiitischen Glaubensrichtung. Sie ist aber auch Sitz der Hojjatieh-Gesellschaft, einer ultrakonservativen Institution, die als Kaderschmiede und theologischer »Think Tank« der Regierung gilt. Ihr zentraler Glaube orientiert sich an der Wiederkehrdes heiligen Mahdis, eines verborgenen Imams. Der aber wird erst nach Chaos und Krieg erscheinen, um die verbliebene Menschheit zu retten und den Islam als weltweit einzigen Glauben durchzusetzen. Der Präsident glaubte fest daran, dass die Zeit gekommen sei. Sein Kabinett saß mit ihm in einem Raum der Theologieschule von Ghom. Sie hatten alle auf den Teppichen Platz genommen und ihrem Präsidenten gelauscht.
»Es stimmt, dass die hochmütigen amerikanischen Truppen Absichten hinsichtlich des Öls und anderer Erzeugnisse der iranischen Nation haben, aber hinter all dem steht eine versteckte Logik, nach der sie agieren, obwohl sie es natürlich öffentlich nicht zugeben. Wir haben jedoch Dokumente der amerikanischen Regierung erhalten. Sie haben das ganze Projekt, also die Invasion in den Irak und die dortige Präsenz ihrer Truppen, ausgeheckt, um die Ankunft des verborgenen Imam zu verhindern, und sie wissen auch, dass die iranische Nation dafür den Boden bereitet und von dem Moment seines Erscheinens an sein Verbündeter sein wird.«
Die Minister raunten beifällig. Sie hatten einen erschöpften, müden Mann erwartet. Aber stattdessen war die Laune des Präsidenten glänzend. Er wirkte ausgeruht und siegesgewiss. Er strahlte förmlich. Aber nicht wegen der Gefangenen. Sie waren Werkzeuge der Propaganda. Beweise für die Dummheit der Amerikaner.
Sein Glück an diesem Morgen hatte, wie er glaubte, einen spirituellen Charakter. Nach der vermeintlichen Niederlage in der Nacht, als die Amerikaner die Raketenstellungen zerstörten, hatte ihn für kurze Zeit der Mut verlassen. Aber sein Mentor, Mezbah Yazdi, ein Gelehrter und Weiser, mahnte ihn zur Ruhe. Die Zeichen des Kommens des zwölften Mahdis seien mehr als deutlich. Er, der Präsident, solle sie lesen, sich in Geduld üben und nichts unternehmen. Die Ungläubigen richteten sich in diesen Tagen selbst. »Sieh, am Himmel streiten die Ungläubigen, tötensich. Israel und Amerika kämpfen gegeneinander. Die Welt wendet sich ab von den Zionisten. Habe Geduld. Höre, sehe und lese die Zeichen. Dann wird dir Heil zuteil.« Und so ließ er seinen Minister wissen, dass der Iran keine Vergeltungsschläge gegen die USA oder Israel führen werde. So erfuhr die Welt davon, aber vorher der Kontaktmann des Mossad in Isfahan, wenige Kilometer südlich, durch einen chiffrierten Anruf eines Kabinettsmitglieds.
Libanesischer Luftraum, 22. 06., 9.34 Uhr Zulu Time
Als das Lamm das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte Lebewesen
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