Der Lilith Code - Thriller
vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten Lebewesens rufen: Komm! Da sah ich ein fahles Pferd; und der, der auf ihm saß, heißt »der Tod«; und die Unterwelt zog hinter ihm her. Und ihnen wurde die Macht gegeben über ein Viertel der Erde, Macht, zu töten durch Schwert, Hunger und Tod und durch die Tiere der Erde.
Offenbarung des Johannes, Kapitel 6, Vers 5
Sie hatten schon Funkkontakt mit dem Tower des Ben Gurion International Airport. Hier sollte die Hercules landen, als Elijah den Befehl gab, die Route zu ändern. Der Pilot wunderte sich nicht; so schnell angesetzte Änderungen kamen bei solchen Einsätzen immer wieder vor. Das war halt Mossad und nicht einfaches Militär. Elijah ließ den Militärflughafen Tel Nof südlich der Stadt Rechovot anfliegen. Es war nur sein Instinkt, so etwas war nicht zu lernen. Aber er kannte die Situation da unten nicht, und vermutlich hatte sie sich in den letzten Tagen seit seiner schnellen Ausreise aus Syrien dramatisch verändert.
So setzte die Frachtmaschine wenige Minuten später auf dem Rollfeld auf. Noch auf dem Flugplatz wurden die beiden von Soldaten in Empfang genommen, die sie in den Hangar brachten. Elijah stieg als Erster aus dem Jeep und begrüßte eine Frau und dann einen älteren dicken Herrn. Jan hielt sich im Hintergrund. Er hörte den Dicken schimpfen. Aber Elijah schien das nichts auszumachen. Er lächelte. Jovial klopfte er dem Mann auf die Schulter, drehte sich zu Jan und winkte ihn zu sich.
Die Frau stellte sich als Lea vor, der Mann als Shlomo. Jan lächelte freundlich, aber das Lächeln prallte an versteinerten Mienen ab. Er war nicht willkommen. Elijah bemerkte es. Seine Stimme wurde hart. Das Hebräisch war in Jans Ohren plötzlich aggressiv und feindlich. Diese Menschen würden ihn nicht von den Verdächtigungen freisprechen. Jan begriff,dass lediglich das Pergament sein Pfand für ein freies Leben bedeutete. Und er hatte mit Reginas Hilfe vorgesorgt.
»Können wir das Schriftstück jetzt haben, unsere Experten warten darauf.« Der Dicke sprach Deutsch.
»Nein, können Sie nicht.« Jan lächelte sein unbedarftestes Lächeln. Der Alte blickte wütend zu Elijah und stieß etwas Kurzes, nicht Wohlwollendes auf Hebräisch aus.
Jetzt mischte sich die Frau ein. »Herr Kistermann, das ist hier kein Basar. Sie sind auf israelischem Boden mit einem Fundstück, das für die Existenz dieses Staates sehr wichtig ist. Können wir uns gütlich einigen?«
Er sah erst sie freundlich an, dann fast vergnügt in das mittlerweile wutrote Gesicht des Dicken. Der nickte.
Lea atmete auf. »Wir haben die deutsche Botschaft informiert. In Jerusalem werden sie auf einen BKA-Beamten stoßen, Ihre Aussage und die von Elijah werden dort protokolliert. Wir werden die Aktion als eine arabisch-israelische Konfrontation bezeichnen. Sie stehen ab sofort sozusagen auf unserer Lohnliste.«
Jan hatte Jerusalem noch nie gesehen. Liegt Tel Aviv noch auf Meereshöhe, so fährt man über eine gut ausgebaute Autobahn auf fast 800 Meter Höhe. Hier war es bedeutend kühler als an der Mittelmeerküste Tel Avivs. Sie waren an verlassenen Orangen- und Gemüseplantagen vorbeigerauscht. Lea erklärte ihm, dass durch die Mobilmachung keine Arbeiter mehr auf den Feldern standen und sie jeden Tag Millionen Verluste machen würden. Aber das war noch längst nicht das Schlimmste. Nur wenige Stunden nach den Explosionen auf dem Tempelberg war die ohnehin schon angespannte Lage im Land eskaliert.
15 Prozent der israelischen Bevölkerung sind muslimischen Glaubens, das sind etwas mehr als eine Millionen Einwohner. Sie leben im ganzen Land verteilt. Sie alle sahen am Abend in ihren Wohnungen, den Cafés oder den Teestuben die Bilder. Sie alle konnten nicht glauben, dass es sich »nur«um einen Terroranschlag, und nicht um eine politisch gesteuerte Militäraktion gegen den Islam handelte. Schon in der Nacht waren die ersten Schüsse gefallen. Dann brannten die Synagogen. In Jerusalem waren die jungen Männer aus dem Stadtteil Silwan unterhalb des Tempelbergs herauf zur Altstadt geströmt. Trotz eines starken Polizeiaufgebots konnten die Demonstranten nicht aufgehalten werden. Die Sicherheitsposten, die den Vorplatz zur Klagemauer abschirmten, waren schnell gestürmt worden, und ehe die Sonne über der alten Stadt aufging, waren bereits 43 Tote auf beiden Seiten zu beklagen. Die jüdischen Orthodoxen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit hier beten konnten, waren die ersten
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