Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
Alex. Beides war nicht deine Schuld.«
»Okay«, sagte ich. Wieder fuhr ich los, die Seven Mile Road runter zur Telegraph.
»Das hier war mein Weg zur Arbeit«, sagte ich. »Morgens oder abends, wann auch immer.« Diesmal fuhr ich auf die I-96, die einen südöstlich mitten in die Innenstadt von Detroit führt. »Acht Jahre lang bin ich Polizist in Detroit gewesen«, sagte ich. »Mein Partner hieß Franklin. Großer schwarzer Kerl, hatte früher für die University of Michigan Football gespielt. Die ganze Zeit haben wir uns über Sport gestritten. Weißt du, welcher Sport schwerer sei.«
»Das muß doch wohl Baseball sein«, meinte Randy.
»Merkwürdigerweise sah Franklin das anders. Stell dir das mal vor. Nun gut, eines Abends wurden wir in die Notaufnahme des Detroit Receiving Hospital gerufen. Da war dieser … gestörte Mann. Belästigte die Leute, versteckte sich hinter irgendwelchen Sachen. Verfolgte die Ärzte und Schwestern. Er trug eine große blonde Perücke. Einer der Sicherheitsleute vom Krankenhaus war ihm bis zu seiner Wohnung gefolgt.«
»Und?«
»Ich habe ganz vergessen, daß die I-75 gleich gesperrt ist«, sagte ich. »Diesen Weg bin ich immer zur Wache gefahren. Ich muß gleich abfahren und wieder auf die Michigan.«
»Was ist dann passiert?«
»Wenn du acht Jahre in dieser Stadt Polizist bist, erlebst du eine ganze Menge Dinge«, sagte ich. »Ich habe Frauen gesehen, die von ihren Ehemännern umgebracht worden sind. Oder von ihren Freunden. Oder von sonstwem. Ich habe jede Menge Prostituierte gesehen. Einige davon, mein Gott, waren kaum älter als vierzehn. Jede Menge Dealer auch. Einige davon waren sogar noch jünger.«
Randy ließ sich in seinen Sitz zurückfallen und stieß langsam die Luft aus.
»Ich habe Kinder gesehen, die von ihren Eltern mißbraucht worden sind. Oder vom Freund der Mutter. Oder von älteren Brüdern. Scheiße, beim schlimmsten Fall war es die eigene Schwester . Ein kleines Baby, gerade vier Monate alt …«
»Okay, Alex«, sagte er. »Du brauchst mir das alles nicht zu erzählen.«
»Du bist einen Monat hier gewesen, Randy. Du mußtest das Trikot einer Mannschaft aus den Großen Ligen anziehen und im Tiger Stadium als Pitcher spielen. Madame Valeska hat dir die Zukunft gedeutet, und dann hat ihre wunderschöne Tochter dich so super gefickt, daß du noch nach dreißig Jahren daran denkst.«
Er sagte nichts.
»Für dich ist Detroit der schönste Traum, den du jemals gehabt hast. Es ist Disney World und Fantasy Island in einem.«
»Okay, Alex, ich habe verstanden.«
»Ich glaube nicht, daß du das hast.«
»Doch«, sagte er, »ich hab das total geschnallt. Detroit ist eine gräßliche beschissene Stadt. Mit Drogen und Verbrechen und Morden und den gottverdammt langweiligsten Backsteinhäusern, die ich jemals gesehen habe. Ist das so okay? Ich hab’s verstanden.«
Ich ließ das eine Zeitlang so stehen. Ich fuhr die Michigan Avenue entlang, vorbei an den gespenstischen Ruinen des alten Bahnhofs. Groß wie ein Hotel hob er sich vom Nachthimmel ab, schwärzer als die Dunkelheit selber.
»Randy«, sagte ich, »beim nächsten Mal wo du so ’n Zeug über Detroit sagst, schlag ich dir in die Fresse. Das ist mein Ernst.«
Er sah mich an. »Organisierst du denn nicht gerade für mich die große Besichtigungstour aller Ursachen, weshalb ich Detroit für einen bitterbösen Ort halten soll?«
»Nein«, sagte ich. »Nein.«
»Und warum tust du es dann?«
Ich fuhr weiter auf die Lichter der Innenstadt zu.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich schließlich. »Ich muß das tun. Ich muß dir das zeigen. Und zwar alles.«
»Okay«, sagte er, »ich mach mit. Vermutlich mußt du dir das alles zeigen. Noch einmal dein Leben Revue passieren lassen. Hast du dir darüber schon mal Gedanken gemacht?«
»Vielen Dank, Dr. Freud.«
»Das ist mir ernst, Alex. Warst du seit deiner Verwundung überhaupt mal wieder hier?«
Ich fuhr am Tiger Stadium vorbei, an unserm kleinen Motel und am Lindell AC, wo der Abend seinen Anfang genommen hatte.
»Wo ist es passiert?« fragte er. »Fahren wir da jetzt hin?«
»Der Mann in dem Krankenhaus«, sagte ich. »Er hat an der Woodward gewohnt. Wir sind zu ihm gefahren. Wir haben ihn aufgesucht, um ihm klarzumachen, daß er die Leute im Krankenhaus nicht belästigen kann. Das ist alles, was wir wollten.«
Ich fuhr auf der Woodward Avenue nach Norden, an der Stadt- und Kreisverwaltung vorbei, wo wir am Nachmittag gewesen waren, direkt zur
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