Der Linkshänder – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
ganzen, Moment mal, dreißig Jahre nicht gesehen?« fragte sie. »Sie hatten keinerlei Kontakt zu ihm?«
»Nein.«
»Und dann kommt er einfach so zurück und bittet Sie, ihm zu helfen? Warum hat er das getan?«
»Ich weiß es nicht. Weil ich in Michigan wohne. Weil ich Detroit kenne.«
»Und warum haben Sie ihm geholfen?«
»Das weiß ich genausowenig«, sagte ich. »Weil er mich darum gebeten hat. Vielleicht, weil ich dachte, er sucht Sie aus einem guten Grund. Wenigstens aus einem harmlosen Grund. Ich hätte doch niemals daran gedacht, daß er Sie übers Ohr hauen wollte. Obwohl es jetzt vielleicht ganz plausibel klingt. Seine Spezialität war Grundstücksschwindel, und ich denke, das könnte etwas mit Zambelli-Harwood zu tun haben …«
Sie sah mir in die Augen. »Wieso wissen Sie davon?«
»Mein Partner«, sagte ich. »Er ist auf einen alten Zeitungsartikel gestoßen. Er hat mir gerade erst davon erzählt. Das Zambelli im Firmennamen, sind Sie das oder …«
»Mein Mann. Mein verstorbener Mann. Harwood hat ihn umgebracht.«
Ich sagte nichts. Die Worte hingen in der Luft.
Ein Wagen fuhr hinter uns die Straße entlang. Maria rutschte tiefer in ihren Sitz.
»Vorhin in der Kneipe«, sagte ich, »warum sollte Harry da nicht mitkriegen, daß Sie Randys Namen erkannt haben?«
»Das ist eine lange Geschichte. Können Sie zu mir ins Haus kommen?«
»Das kann ich machen. Aber sind Sie sicher, daß Sie das auch wollen? Ihren Freunden aus der Kneipe würde das gar nicht gefallen, wenn sie das rausbekämen.«
»Ich habe Ihnen doch meine Pistole gezeigt, oder?« Sie steckte die Haarbürste in ihre Tasche zurück. »Ich bin nicht so gut wie meine Mutter, aber ich denke schon, daß ich einen gewissen Sinn dafür habe, was mit einem Menschen los ist, wenn ich ihm gegenübersitze. Ich glaube, daß Sie die Wahrheit sagen.«
»Ich fahre hinter Ihnen her«, sagte ich. »Fahren Sie vor.«
Sie kletterte aus dem Laster, ging zu ihrem eigenen Wagen, stieg ein und setzte auf die Straße zurück. Einen knappen Kilometer fuhr ich hinter ihr her, bis sie links in eine mit Kies bestreute Auffahrt fuhr, die tiefe Furchen aufwies. Ein alter Holzzaun umgab das Grundstück, so daß ich das Haus von der Straße aus nicht sehen konnte. Sobald ich es erblickte, wußte ich, daß es das größte Haus in der Stadt war.
Die Auffahrt schlängelte sich bis zum Haupteingang, aber sie hielt dort nicht. Sie fuhr weiter, bis die Auffahrt an der Seite des Hauses endete. Ich parkte hinter ihr, neben einem kleinen Boot auf einem Anhänger. Die Plastik-Persenning, die es verhüllte, war ausreichend vertäut, um einem Hurrikan standzuhalten.
Sie führte mich durch die Seitentür ins Haus. Davor war eine niedrige Veranda aus Beton; ein Pfad führte nach unten zu einem kleinen Bootshaus. Vom See her wehte ein später Morgenwind.
»Hübsches Haus«, sagte ich, als ich eintrat. Zuerst kam ein kleiner Raum, in dem man den Mantel ablegen konnte, und dann ein großes Wohnzimmer in Weißkiefer, mit großen, roh zubehauenen Deckenbalken. Ich entdeckte einige Seekarten in Rahmen an den Wänden und ein nautisches Barometer inmitten eines goldenen Rades. Irgendwie war mir klar, daß sie den Raum nicht selbst eingerichtet hatte.
»Ich habe es nur gemietet«, sagte sie. »Sie raten niemals, von wem.«
»Kapitän Nemo«, sagte ich.
»Chief Rudiger.«
»Das ist großartig. Wie der sich freuen wird, wenn er rauskriegt, daß ich hier war.«
»Für das, was der an Miete verlangt, dürfte ich hier wohl empfangen, wen ich will. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Ein Bier?« sagte ich. »Irgendwie hat es im Rocky’s mit der Bedienung nicht geklappt.«
Als sie gegangen war, sah ich durch das große Panoramafenster auf den Lake Michigan. Im Moment war er ruhig, aber ich wußte, das konnte sich ohne Vorwarnung plötzlich ändern. Ein Feldstecher stand auf der Fensterbank – eins dieser teuren Leicamodelle, die mindestens fünfhundert Dollar kosten. Ich nahm ihn, blickte auf den See hinaus und entdeckte auch einen Frachter in der Ferne. Er fuhr Richtung Norden, vielleicht von Chicago aus. Er würde unter der Mackinac-Brücke durchfahren, Drummond Island umfahren und dann stracks auf die Schleusen vom Soo zu. Wenn ich jetzt auf der Stelle nach Hause fahre, überlegte ich mir, werde ich ihn wiedersehen, wie er durch die Whitefish Bay fährt.
Maria kam mit zwei Flaschen Bier und zwei Gläsern in den Raum zurück. Sie gehörte zu den Frauen, die einen
Weitere Kostenlose Bücher